Beschimpfungen: Volk machts Politikern nach
BERN. Neuer Rekord: Noch nie gabs so viele Anzeigen wegen Beschimpfungen – auch wegen des Internets.
Über 10 000-mal musste die Justiz im letzten Jahr wegen Beschimpfungen ermitteln. Dies zeigt die neue Kriminalstatistik des Bundes. Wer als «Schlampe» oder «Waschlappen» bezeichnet wird, kann Anzeige erstatten. Einen Einfluss auf diese Zahl hat das Internet. Und: Aggressive Politiker färbten auf die Menschen ab, sagt ein Medienpsychologe.
Anzeigen von Menschen, die von jemandem als «Idiot» oder «Arschloch» beschimpft wurden, beschäftigen zunehmend die Justiz. 2018 zählte das Bundesamt für Statistik 10633 Fälle von Beschimpfung – analog und im Netz. Die Zahl ist fast doppelt so hoch wie 2009 und markiert einen Rekord. Neben dem Bevölkerungswachstum sieht Anwalt Martin Steiger darin eine Erklärung, dass durch das Internet Aussagen sichtbar werden, die früher niemand mitbekommen habe. «Bei mündlichen Beschimpfungen steht oft Aussage gegen Aussage», so Steiger, «im Internet sind die Aussagen dokumentiert.» Was als Beschimpfung gelte, sei nicht genau definiert. Die Betitelung als «Arschloch» oder «Missgeburt» sei fast immer eine, die Bezeichnung «Hochstapler» könne bei entsprechender Beweislage erlaubt sein.
«Viele lassen ihre Wut im Internet ab und nicht mehr am Stammtisch», erklärt Jolanda Spiess-Hegglin vom Verein Netzcourage. Vor dem Computer sei die Hemmschwelle tiefer. Sie hat in den letzten Jahren Dutzende Strafbefehle und Verurteilungen erwirkt (einige Beispiele sind links zu lesen). Ein Internet-Kommentator, der Spiess-Hegglin als «Schlampe» beschimpfte, wurde mit einer bedingten Geldstrafe und einer Busse von 650 Franken belegt.
Einen weiteren Aspekt beleuchtet der Medienpsychologe Gregor Waller von der ZHAW: «Wenn sich Politiker im Internet aggressiv verhalten, färbt das auf die Menschen ab. Wieso sollten sie sich anständig verhalten, wenn es nicht einmal Politikern gelingt?»
«Solche Weiber gehören in den Kompost.»
«Unglaublich, dass es so Waschlappen gibt, die mit solchen Weibern zusammenleben.»
«Sone blödi Schlampe, wahrschinlich hett si eifach zvill gsoffe.»
«Sie Analmissgeburt. Ich frage mich, ob Sie ein Leben haben, Sie blöde Fotze.» Die Verfasser dieser FacebookPosts wurden verurteilt.