Vergewaltiger darf nicht ausgewiesen werden
BERN. Die Schweiz darf einen Vergewaltiger nicht nach Kosovo ausschaffen. Der Fall sorgt für rote Köpfe.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte pfeift die Schweiz zurück: Sie darf einen Kosovaren nicht wegweisen. Nach dem Urteil der Richter würde die Menschenrechtskonvention verletzt. Der Mann war 2005 wegen einer Vergewaltigung verurteilt worden, später wollten ihn die Schweizer Behörden ausweisen. Das Urteil spaltet die Schweizer Politik.
Nach über 20 Jahren im Land sollte ein Kosovare die Schweiz verlassen. Weil er 2003 eine Vergewaltigung begangen hatte, wurde er zu über zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Später verlängerten ihm die Schweizer Behörden die Aufenthaltsbewilligung nicht – auch wegen der Scheidung von seiner Schweizer Frau. Den Entscheid bestätigte das Bundesverwaltungsgericht 2015.
Jetzt pfeift der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Schweiz zurück. Die Wegweisung des gesundheitlich angeschlagenen Mannes verstosse gegen Artikel 8 der Menschenrechtskonvention: das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens. Dass der 1964 geborene Mann mit zwei seiner erwachsenen Kinder zusammenlebe, die ihn pflegten, habe das Bundesverwaltungsgericht zu wenig berücksichtigt. Insgesamt sei der Fall nur oberflächlich geprüft worden, heisst es im gestern veröffentlichten Urteil. Die Schweiz argumentierte vergebens, eine Ausweisung sei zumutbar, zumal er die ersten 29 Jahre in Kosovo verbracht habe und immer noch schlecht Deutsch spreche.
Die Rüge aus Strassburg ist umstritten. «Stossend» ist das Urteil für CVP-Nationalrat Fabio Regazzi: «Man sollte nie vergessen, dass es auch Verbrechen gibt, die die Gesellschaft nicht akzeptieren kann. Da gehört Vergewaltigung dazu.» Der Politiker hofft, dass die Schweiz einen Weg findet, die Wegweisung doch noch durchzusetzen.
Anderer Meinung ist Sibel Arslan (Grüne): Eine Vergewaltigung müsse hart bestraft werden, aber im Rahmen der hiesigen Rechtsordnung. «Eine Bestrafung sollte nicht politisch motiviert sein, wie es hier den Anschein macht.» Das Urteil aus Strassburg sei nachvollziehbar: «Es bezieht sich auf die Arbeit unserer Richter. Sie haben schlicht nicht sorgfältig gearbeitet.»