Warum gibt es trotz Aufschwung weniger Lohn?
ZÜRICH. Die Reallöhne sind letztes Jahr um 0,4 Prozent gesunken. Es ist bereits die zweite Minusrunde.
Der 1.MaiProtest für höhere Löhne erhielt gestern Auftrieb durch neue Zahlen des Bundesamts für Statistik: Zwar stiegen die Löhne im Jahr 2018 nominal im Durchschnitt um 0,5 Prozent. Doch die Teuerung von 0,9 Prozent frass den Anstieg wieder weg. Das heisst konkret: Angestellte mit dem aktuellen Medianlohn von 6502 Franken büssten letztes Jahr 312 Franken an Kaufkraft ein. Und das, obwohl das Bruttoinlandprodukt 2018 um 2,5 Prozent zugelegt hat.
Für Gewerkschafter ist dafür der «harte Kurs der Arbeitgeber bei den Lohnverhandlungen» verantwortlich. «Wir spüren eine neue Härte», sagt Daniel Lampart, Chefökonom beim Gewerkschaftsbund. Viele weigerten sich, selbst den Teuerungsausgleich zu zahlen. Da es bereits seit zwei Jahren keine Reallohnerhöhungen gegeben habe, werde man nun härter verhandeln, kündigt Lampart an.
«Es ist eine ziemlich komische Vorstellung, dass die Wertschöpfung einfach mit der Bevölkerung mitwächst», sagt dagegen Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger. Denn dafür müssten die Schweizer Firmen immer mehr Produkte zu gleich guten Preisen in die internationalen Märkte pumpen können. Das sei in vielen Branchen unrealistisch. Der Verdacht liege nahe, dass durch die Zuwanderung die Löhne gedrückt würden. «Natürlich gewähren Chefs weniger Lohnerhöhungen, wenn sie Ausländer zu tieferen Löhnen anstellen könnten.» Sie treibe zudem die Wohn, Pendelund Energiekosten in die Höhe, was wiederum die reale Kaufkraft senke. Lampart widerspricht: «Die Branchen mit den schlechtesten Abschlüssen beschäftigen relativ wenige Personen aus dem Ausland.»