«Schiedsrichter haben sich nicht verbessert»
ZÜRICH. Ex- Ref Urs Meier (60) kritisiert im Interview die Videobeweis- Praxis und warnt vor Betrügern auf dem Fussballplatz.
Urs Meier, Sie sind bei Teleclub bei Champions-League-Spielen als Experte im Studio. Einiges zu reden gibt der Video Assistant Referee (VAR). Was halten Sie vom Videobeweis?
Es ist immer noch ein Mittel, das zum Teil falsch eingesetzt oder nicht eingesetzt wird und auch teilweise zu viel Zeit beansprucht. Es ist wie beim Airbag im Auto: Er geht zu oft auf, wenn er nicht sollte – und er geht nicht auf, wenn er müsste. Die Schiedsrichter haben sich durch den VAR nicht verbessert. Im Gegenteil, sie haben an Persönlichkeit verloren. Es gibt noch zu viel Ungelöstes beim VAR. Deshalb sage ich: Lasst grundsätzlich die Schiris auf dem Platz die Entscheide treffen. Bei krassen Fehlentscheiden soll der VAR eingreifen. Und nur dann.
Der VAR wird ab kommender Saison auch in der Schweiz eingesetzt. Eine gute Investition?
Man wendet 1,5 Millionen Franken für die VAR-Einführung auf und erhält eine Variante ohne kalibrierte Linie für Offside-Entscheidungen. Es wird also viel Geld ausgegeben für diese Technik, in der Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit. Was aber auf der Strecke bleibt, ist im Prinzip die Professionalisierung der Schiedsrichter und der Strukturen. Wir müssten viel mehr in die Schiedsrichter investieren. Ab dem 1. Juni treten einige neue Fussballregeln in Kraft, unter anderem wird unabsichtliches Hands strafbar, wenn daraus ein Tor oder eine Torchance entsteht …
Dann wird alles noch komplizierter. Bei der Handsregel herrscht bereits jetzt Chaos, es fehlt eine klare Linie bei den Schiedsrichtern. Dabei ist die bisherige Regel klar: Ist Absicht im Spiel oder eine unnatürliche Bewegung, ist es strafbares Hands. Doch sie wird zu oft nicht oder falsch angewendet. Meine Güte, sollen sich die Spieler denn die Arme abschneiden? Mit der neuen Regel droht die Gefahr, dass angreifende Spieler den Ball mit Absicht an Arme oder Hände der Verteidiger spielen werden. Für Diskussionsstoff sorgen auch Theatereinlagen von Spielern. Werden die Schwalben genügend hart sanktioniert? Nein. Bei diesen Unsportlichkeiten, zu denen auch Hands im Offensivbereich gehört, ist eine Gelbe Karte eine Belohnung und keine Strafe. Eine klare Schwalbe im Strafraum ist eine grobe Unsportlichkeit und gehört mit Platzverweis bestraft. Da ist das Regelwerk viel zu tolerant, auch bei Spielverzögerungen etwa der Goalies in der Schlussphase eines Spiels. Da gibts nur eins: Zeitstrafen bei Unsportlichkeiten.
«Die Schiedsrichter haben an Persönlichkeit verloren.» Urs Meier