Ärzte halten HIV-Tests trotz Risiko für unnötig
ZÜRICH. Einige Ärzte raten davon ab, einen HIV-Test durchzuführen. Diese Empfehlung sei gefährlich, warnen Experten.
Zwei Leser wollten einen HIV-Test machen, weil sie mit der neuen Partnerin ungeschützten Sex haben wollen. In beiden Fällen rieten die Ärzte davon ab: Es bestehe keine Gefahr und ein
Test sei höchstens bei Sex mit gewissen Risikogruppen nötig. HIV-Präventionsstellen kritisieren dies scharf: Ein Ansteckungsrisiko bestehe für jeden.
A. B.* wollte in einer Zürcher Praxis einen HIV-Test machen, um ungeschützten Sex mit einer neuen Partnerin zu haben. «Der Arzt riet mir davon ab, HIV stelle kein grosses Problem dar.» Gleich erging es C. D.* Sein Arzt habe Fragen über die neue Partnerin gestellt. Da diese eine über 40-jährige Schweizerin sei, habe er vom Test abgeraten: Es bestehe kein Risiko. «Er sagte, er empfehle einen Test vor allem, wenn Personen Sex mit Afrikanern hätten.» Die betreffende Praxis war für 20 Minuten nicht erreichbar.
Das Verhalten sorgt für Kritik. Katharina Lange, Leiterin der Testangebote Basel: «Der Bund empfiehlt, dass ungeschützter Sex in einer Beziehung erst nach Vorweisen eines negativen Resultats erfolgen sollte.» So sehe sie das auch – und so sollten es Ärzte kommunizieren. Stefan Langenegger vom Ärztehaus Seebach in Zürich pflichtet ihr bei: «Wünscht ein sexuell aktiver Patient nach einem ausführlichen Gespräch einen Test, sollte dieser immer durchgeführt werden.» Der Test sei günstig, aber die Konsequenzen im Fall einer nicht entdeckten Ansteckung beträchtlich. «Zudem sind die Patienten nicht immer ehrlich, was ihr Sexualverhalten angeht.»
Laut Dominique Braun, Oberarzt am Unispital Zürich, würden bei Teststellen jährlich rund 22000 HIV-Tests durchgeführt. Hinzu kämen etwa noch einmal so viele durch Hausärzte. «Diese Personen sind offenbar unproblematisch zu erreichen», so Braun. Problematisch seien jene Personen, an die man nicht herankomme, die sich aber testen lassen sollten. Es gebe mehrere Hundert bis wenige Tausend unerkannte HIV-Infektionen in der Schweiz: «Die müssen wir finden.»