Alex (34) bittet auf Facebook um Essen
ZÜRICH. Weil sie lange kein Arbeitslosengeld erhalten hat, fragte Alex auf Facebook nach Essen.
Es ist der 3. Juni 2020, als Alex* folgenden verzweifelten Facebook-Post verfasst: «Hat jemand etwas zu essen? Die Arbeitslosenkasse ist hart im Verzug mit Geldüberweisen.» Ihr Konto war 200 Franken im Minus, dazu kamen offene Rechnungen von 2000 Franken. Geld für Lebensmittel hatte sie keines mehr.
Alex hat einen Teilzeitjob und verdient damit rund 2000 Franken im Monat. Davon bleiben ihr nach Abzug von Miete, Krankenkasse und Steuern nicht einmal mehr hundert Franken für Essen. Der
Post sei eine Impulsreaktion gewesen, sagt Alex. «Ich schäme mich nicht dafür, arm zu sein und Hilfe zu fordern, wenn der Staat seine Arbeit nicht korrekt erledigt.»
Der Post löste Hunderte Reaktionen aus. Durchs Band alle positiv. «Ich war richtig überwältigt!» Das Amt für Wirtschaft des Kantons Zürich gibt keine Auskunft zu Einzelfällen. «Normalerweise dauert es rund einen Monat, bis geprüft wird, ob und wie viel Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht. Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Anzahl Anträge jedoch deutlich gestiegen», sagt Sprecherin Lucie Hribal. Häufig führten auch unvollständige Unterlagen zu Verzögerungen.
Die Hilfswerke Caritas Zürich und Siidefade kennen das Problem. Für Fabienne Menna vom Hilfswerk Siidefade, das bedürftigen Personen mit Geld und Lebensmitteln aushilft, ist klar: «Jede Person, die online nach Essen fragen muss, ist eine zu viel.» Ihr sei bewusst, dass Abklärungen nötig seien, bevor Institutionen Geld auszahlen würden. «Es wäre aber schön gewesen, wenn in dieser Krisenzeit gewisse Standardprozesse verkürzt worden wären.» Dass in der reichen Schweiz Menschen Hunger leiden müssten, gehe einfach nicht. Alex hat schliesslich Lebensmittel von ihren engsten Freunden erhalten. Über die Reaktionen auf Facebook hat sie sich aber sehr gefreut. «Ich musste weinen, als ich die lieben Nachrichten gelesen habe.»
«Ich schäme mich nicht dafür, arm zu sein und Hilfe zu fordern.» Alex (34) Fragte in einer Facebook-Gruppe nach Essen.