20 Minuten - Luzern

«Das Zuhause, ihren Laden, Familie – sie haben alles verloren»

BEIRUT. SRF- Korrespond­ent Pascal Weber berichtet seit 2010 aus dem Nahen Osten. 20 Minuten schildert er, was er am Tag nach der massiven Explosion gesehen hat.

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Herr Weber, Sie haben Fotos des verwüstete­n SRF-Büros in Beirut getwittert. Wie geht es Ihnen?

Mir und meinem nächsten Umfeld geht es gut.

Sie leben ja mit Ihrer Familie in Beirut. Wo waren Sie zum Zeitpunkt der Explosion?

Zu Hause. Ich befand mich gerade auf dem Balkon. Nach dem ersten Beben ging ich reflexarti­g ins Haus, dann kam die Druckwelle – Fenster barsten, obwohl wir fünf Kilometer vom Hafen entfernt wohnen. Ich dachte daran, wie wir die Kinder in Sicherheit bringen.

Was haben Sie am Tag danach gesehen?

Wir waren im Ausgehvier­tel Gemmayzeh gleich hinter dem Hafen. Wir sahen Leute, die alles verloren haben: ihr Zuhause, ihren Laden, Angehörige. Ihre Verzweiflu­ng ist sehr gross. Es gibt Leute, die nichts mehr zu essen haben. Die Covid-Krise konnte man eben noch stemmen, und jetzt das: Das Land befindet sich nicht am Rande des Kollapses, es ist mittendrin. Am Hafen sollen 2750 Tonnen Ammoniumni­trat gelagert worden sein. Hat man es vergessen?

Nein, die Hafenbehör­de warnte laut lokalen Medien andere Ämter vor der Gefahr. Bloss machte man nichts.

Der Libanon befand sich schon vor dem Unglück wirtschaft­lich am Abgrund. Die Preise im Land sind stark gestiegen. Wie kommt der Libanon hier wieder raus? Ohne schnelle Hilfe von aussen wird das Land noch tiefer in die Krise rutschen. Klar ist, dass sich etwas ändern muss. Die Leute gehen seit Oktober des vergangene­n Jahres auf die Strasse, um einen Systemwech­sel zu erzwingen.

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FOTOS: SRF/AP SRF-Nahost-Korrespond­ent Pascal Weber hat so etwas wie in Beirut «noch nie erlebt».

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