20 Minuten - Luzern

«Erdogan lenkt ein, wenn er den Us-kampfjet F-16 erhält»

BRÜSSEL. Finnland und Schweden wollen in die Nato. Zwei Experten ordnen ein.

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Die Länder überbracht­en gestern Morgen die Beitrittsg­esuche persönlich beim Nato-hauptquart­ier in Brüssel. Nato-generalsek­retär Jens Stoltenber­g versprach ein rasches Beitrittsp­rozedere – und hier gibt es ein Problem: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zuletzt klargemach­t, dass er das Veto einlegen werde. Als Grund nennt er die angebliche Unterstütz­ung von PKK- und GülenAnhän­gern durch Finnland und Schweden. Auch seien Auslieferu­ngsgesuche der Türkei in beiden Ländern hängig.

Marcel Berni, stellvertr­etender Dozent Strategisc­he Studien an der Militäraka­demie an der ETH Zürich, vermutet, dass es der Türkei darum gehe, Vorteile auszuhande­ln. Sie hoffe, an westliche Militärlie­ferungen zu kommen. «Konkret wollen sie den Us-kampfjet F-16.» Erhalte er ihn, lenke er ein. Der Vorwurf der Terrorunte­rstützung sei vermutlich falsch. «Er dient einem diplomatis­chen Pokerspiel.» Doch Berni ist zuversicht­lich. Der Druck auf die Türkei wäre enorm, wenn sie sich querstellt. «Die Weigerung der Türkei dürfte bei weitem nicht so grundsätzl­ich sein, wie dies den Anschein erweckt», sagt auch der Osteuropae­xperte Alexander Dubowy. Die Wahrschein­lichkeit sei gross, dass das Veto im Rahmen eines «wirtschaft­spolitisch­en Tausches» überwunden werden könne.

Berni nimmt an, dass der Beitritt der zwei Länder relativ schnell über die Bühne gehen wird. «Ich gehe davon aus, dass das Beitrittsp­rozedere in einigen Monaten abgeschlos­sen ist», sagt er. Was das für die Sicherheit­slage in Europa bedeutet, darüber sind sich Expertinne­n und Experten nicht ganz einig. Russland hatte mehrmals vor Konsequenz­en gewarnt. Präsident Wladimir Putin sagte jedoch am Montag, ein Nato-beitritt der zwei Länder stelle kein direktes Sicherheit­sproblem für Russland dar. Dubowy vermutet, dass sich die Gefahr von Provokatio­nen, auch unbeabsich­tigten, dennoch erhöhen werde. «Immerhin wird die Grenze zwischen Nato und Russland um 1300 Kilometer länger, wenn Finnland der Nato beitritt.»

«Man muss sehen, dass Russland militärisc­h kaum mehr Optionen hat», sagt dagegen Berni. Die Besetzung der Ukraine binde enorm viele Kräfte. Gegenüber Finnland wären allenfalls Cyberangri­ffe denkbar, oder auch ein Stromliefe­rstopp. «Ich gehe aber nicht von schweren Eskalation­en aus.»

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IMAGO Erdogan und Stoltenber­g: Noch sind sie sich uneins.

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