«Erdogan lenkt ein, wenn er den Us-kampfjet F-16 erhält»
BRÜSSEL. Finnland und Schweden wollen in die Nato. Zwei Experten ordnen ein.
Die Länder überbrachten gestern Morgen die Beitrittsgesuche persönlich beim Nato-hauptquartier in Brüssel. Nato-generalsekretär Jens Stoltenberg versprach ein rasches Beitrittsprozedere – und hier gibt es ein Problem: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zuletzt klargemacht, dass er das Veto einlegen werde. Als Grund nennt er die angebliche Unterstützung von PKK- und GülenAnhängern durch Finnland und Schweden. Auch seien Auslieferungsgesuche der Türkei in beiden Ländern hängig.
Marcel Berni, stellvertretender Dozent Strategische Studien an der Militärakademie an der ETH Zürich, vermutet, dass es der Türkei darum gehe, Vorteile auszuhandeln. Sie hoffe, an westliche Militärlieferungen zu kommen. «Konkret wollen sie den Us-kampfjet F-16.» Erhalte er ihn, lenke er ein. Der Vorwurf der Terrorunterstützung sei vermutlich falsch. «Er dient einem diplomatischen Pokerspiel.» Doch Berni ist zuversichtlich. Der Druck auf die Türkei wäre enorm, wenn sie sich querstellt. «Die Weigerung der Türkei dürfte bei weitem nicht so grundsätzlich sein, wie dies den Anschein erweckt», sagt auch der Osteuropaexperte Alexander Dubowy. Die Wahrscheinlichkeit sei gross, dass das Veto im Rahmen eines «wirtschaftspolitischen Tausches» überwunden werden könne.
Berni nimmt an, dass der Beitritt der zwei Länder relativ schnell über die Bühne gehen wird. «Ich gehe davon aus, dass das Beitrittsprozedere in einigen Monaten abgeschlossen ist», sagt er. Was das für die Sicherheitslage in Europa bedeutet, darüber sind sich Expertinnen und Experten nicht ganz einig. Russland hatte mehrmals vor Konsequenzen gewarnt. Präsident Wladimir Putin sagte jedoch am Montag, ein Nato-beitritt der zwei Länder stelle kein direktes Sicherheitsproblem für Russland dar. Dubowy vermutet, dass sich die Gefahr von Provokationen, auch unbeabsichtigten, dennoch erhöhen werde. «Immerhin wird die Grenze zwischen Nato und Russland um 1300 Kilometer länger, wenn Finnland der Nato beitritt.»
«Man muss sehen, dass Russland militärisch kaum mehr Optionen hat», sagt dagegen Berni. Die Besetzung der Ukraine binde enorm viele Kräfte. Gegenüber Finnland wären allenfalls Cyberangriffe denkbar, oder auch ein Stromlieferstopp. «Ich gehe aber nicht von schweren Eskalationen aus.»