Frauen ausgewiesen statt Hintermänner verhaftet
ST. GALLEN. Selten werden Fälle von Menschenhandel im Kanton St. Gallen aufgedeckt. Auch weil Betroffene aus Angst meist schweigen.
Nur 1,9 Prozent der in der Kriminalstatistik erfassten Fälle zu Menschenhandel wurden im Kanton St.gallen aufgedeckt. Dies, obwohl 7,4% der Erotikbetriebe auf St.galler Boden liegen. Eine augenfällig tiefe Quote, schreibt der «Sonn- tagsblick». Ein Erklärungsansatz für die tiefe Quote sieht Fredy Fässler, Regierungsrat und Vorsteher des St.galler Sicherheits- und Justizdepartements, in der Bewilligungspraxis des Kantons. «St. Gallen erteilt nur Bewilligungen für Sexarbeiterinnen aus dem Euund Efta-raum.» Somit gebe es in St. Gallen keine Bewilligungen für Frauen aus Asien oder Lateinamerika – also von Regionen, die stark von Frauenhandel betroffen sind.
Grundsätzlich sei es schwierig, Delikte im Bereich von Menschenhandel und Zwangsprostitution aufzuklären, da die direkt betroffenen Frauen von sich aus selbst selten Hilfe suchten. Auch könne die Polizei aufgrund des Personalbestands nicht in hoher Frequenz Bordelle kontrollieren.
Regelmässige Besuche in den St.galler Etablissements tätigt «Maria Magdalena», die aufsuchende Sozialarbeit der Beratungsstelle für Frauen im Sexgewerbe des Kantons. «Es ist leider schon vorgekommen, dass nach Meldungen von uns die betroffenen Frauen ausgewiesen wurden, was eine Hilfe hier vor Ort verunmöglicht», sagt Fachbereichsleiterin Martina Gadient. Ausserdem müsste man die Hintermänner zur Rechenschaft ziehen. Grundsätzlich sei Zwangsprostitution schwer zu bekämpfen, da im Milieu viel über Drohungen laufe und die Frauen in ständiger Angst lebten. Etwa, wenn die Hintermänner deren Familienmitglieder kennen und mit Racheakten drohen würden.