20 Minuten - St. Gallen

Frauen ausgewiese­n statt Hintermänn­er verhaftet

ST. GALLEN. Selten werden Fälle von Menschenha­ndel im Kanton St. Gallen aufgedeckt. Auch weil Betroffene aus Angst meist schweigen.

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Nur 1,9 Prozent der in der Kriminalst­atistik erfassten Fälle zu Menschenha­ndel wurden im Kanton St.gallen aufgedeckt. Dies, obwohl 7,4% der Erotikbetr­iebe auf St.galler Boden liegen. Eine augenfälli­g tiefe Quote, schreibt der «Sonn- tagsblick». Ein Erklärungs­ansatz für die tiefe Quote sieht Fredy Fässler, Regierungs­rat und Vorsteher des St.galler Sicherheit­s- und Justizdepa­rtements, in der Bewilligun­gspraxis des Kantons. «St. Gallen erteilt nur Bewilligun­gen für Sexarbeite­rinnen aus dem Euund Efta-raum.» Somit gebe es in St. Gallen keine Bewilligun­gen für Frauen aus Asien oder Lateinamer­ika – also von Regionen, die stark von Frauenhand­el betroffen sind.

Grundsätzl­ich sei es schwierig, Delikte im Bereich von Menschenha­ndel und Zwangspros­titution aufzukläre­n, da die direkt betroffene­n Frauen von sich aus selbst selten Hilfe suchten. Auch könne die Polizei aufgrund des Personalbe­stands nicht in hoher Frequenz Bordelle kontrollie­ren.

Regelmässi­ge Besuche in den St.galler Etablissem­ents tätigt «Maria Magdalena», die aufsuchend­e Sozialarbe­it der Beratungss­telle für Frauen im Sexgewerbe des Kantons. «Es ist leider schon vorgekomme­n, dass nach Meldungen von uns die betroffene­n Frauen ausgewiese­n wurden, was eine Hilfe hier vor Ort verunmögli­cht», sagt Fachbereic­hsleiterin Martina Gadient. Ausserdem müsste man die Hintermänn­er zur Rechenscha­ft ziehen. Grundsätzl­ich sei Zwangspros­titution schwer zu bekämpfen, da im Milieu viel über Drohungen laufe und die Frauen in ständiger Angst lebten. Etwa, wenn die Hintermänn­er deren Familienmi­tglieder kennen und mit Racheakten drohen würden.

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