Rebell oder einfach nur Streber?
Bleibt der Ford Fiesta ST so gut, wie er war, oder verkommt der Kurvenstar wegen des Spardrucks zum Weichling?
Der Blick ins Datenblatt des neuen Fiesta ST schockiert. Wie bitte, nur drei Zylinder? Zudem schaltet sich einer davon in ruhiger Fahrt ab, um Sprit zu sparen? Die Leistung (200 PS) ist nicht höher als im Vorgänger, die Beschleunigung (0 auf 100 km/h in 6,5 Sekunden) nur ganz leicht besser? Das klingt doch sehr nach Musterknabe. Ist der Fiesta ST, unser Liebling unter den Hot Hatches, etwa ein Streber geworden?
Er wirkt nicht so. Im Gegenteil: Böser Blick, dicker Spoiler, scharfe Felgen, fette Endrohre – das sieht eher nach Rotzlöffel aus. Und so klingt er auch. Der 1,5-Litermotor wummert unheilverkündend, dreht dann heiser in Richtung Begrenzer, während die Kiste abgeht wie Nachbars Lumpi. Da ist nichts von Sparlaune zu spüren: Drehfreude, Gasannahme, Elastizität – mit diesem Dreizylinder ist Ford ein echtes Kunststück gelungen.
Die Recaros stützen satt, das Lenkrad liegt griffig in den Händen, der kurze Schaltstock verspricht knackige Gangwechsel – alles schreit nach Fahren. Wir wechseln von «Normal» über «Sport» auf «Race Track» – das Gas wird nun direkter angenommen, die Dämpfer sind plötzlich humorlos, das ESP lässt mehr Spielraum zu. Der Motor dreht willig hoch, sprotzelt bei Entlastung frech, die Gangwechsel knallen – vorbei ist es mit Streber, das hier riecht nach Revolte.
Wie sich der Neue in die Kurven wirft und wie er sich dabei anfühlt, das ist schon grosse Klasse. Ein ausgeklügeltes Aufhängungssystem mit frequenzabhängigen Dämpfern und ein Sperrdifferenzial an der Vorderachse helfen dabei. Wenn dann noch die umfangreiche Ausstattung mit eingerechnet wird, ist der Preis ab 24200 Franken ein wahres Schnäppchen.
Hat sich der neue Fiesta ST also zum Streber verwandelt? Ja, kann schon sein. Jedenfalls da, wo es heute drauf ankommt, setzt er auf Vernunft. Doch er hat nichts von seinem rebellischen Wesen verloren. Der kleine Ford ist nach wie vor ein echter Streetfighter – und ein bisschen angepasst ist doch jeder, oder?