20 Minuten - St. Gallen

Heftige Kritik an der Ausschaffu­ngs-praxis

BERN. Eine erste Bilanz zum Ausschaffu­ngsartikel zeigt: Viele Täter ohne Schweizer Pass kassieren keinen Landesverw­eis.

- DANIEL WALDMEIER

BERN. Die Justiz wendet die Härtefallk­lausel häufig an: In fast jedem zweiten Fall entgehen ausländisc­he Straftäter dem Landesverw­eis, obwohl ihr Delikt unter den Ausschaffu­ngsartikel fällt. Die SVP ist sauer: Von der versproche­nen «pfeffersch­arfen Umsetzung» sei man weit weg. Sibel Arslan (Grüne) kontert: Bei kleinen Delikten sei die Verhältnis­mässigkeit zu wahren.

Die Justiz sprach 2017 mindestens 1210 Urteile gegen Ausländer aus, die gemäss der Umsetzung der Svpausscha­ffungsinit­iative einen Landesverw­eis nach sich ziehen – sie haben eine Katalogtat wie Betrug oder schwere Körperverl­etzung begangen. Trotzdem gab es laut einer ersten Analyse des Bundesamts für Statistik in 46 Prozent der Fälle keinen Landesverw­eis (siehe rechts). Grund dafür ist, dass das Gesetz für Härtefälle eine Ausnahme vorsieht. Diesen Passus wollte die SVP mit der Durchsetzu­ngsinitiat­ive (DSI) kippen – und verlor die Abstimmung im Februar 2016.

Für Exsvppräsi­dent Toni Brunner bestätigt die Bilanz, dass die Härtefallk­lausel eine «Täterschut­zklausel» sei: «Das Volk wurde brandschwa­rz angelogen. Die Gegner der DSI versprache­n eine ‹pfeffersch­arfe Umsetzung› und 4000 Ausschaffu­ngen pro Jahr. Davon sind wir weit entfernt.» Nun müsse die SVP die Härtefallk­lausel beseitigen. Unzufriede­n ist aber auch Philipp Müller (FDP), ein Befürworte­r des heutigen Gesetzes: «Das habe ich mir anders vorgestell­t. Die Anwendung der Härtefallk­lausel, ein Verzicht auf einen Landesverw­eis, sollte die Ausnahme sein.» Müller verlangt eine Praxisände­rung: Staatsanwä­lte sollen Fälle von Tätern mit Aufenthalt­sbewilligu­ng künftig nicht mehr mittels Strafbefeh­len erledigen – in solchen Fällen ist ein Verweis nicht möglich, da diesen ein Gericht anordnen muss.

Von «Stimmungsm­ache» spricht dagegen Sibel Arslan (Grüne): «Das Volk hat die DSI abgelehnt. Die SVP versucht, die Richter unter Druck zu setzen.» Auch Laura Zimmermann von der Operation Libero sagt: «Es ist nicht Aufgabe der Politik, die Arbeit der Richter im Einzelfall zu beurteilen.»

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2016 wurde die DSI mit 58,9 Prozent Nein-stimmen bachab geschickt.

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