Poputschik Fahrprüfung auf Russisch
Dascha schaut mich verschwörerisch an. Gerade hat sie einen Widerspruch aufgelöst, der mich seit meiner Ankunft in Toljatti beschäftigt. Und jetzt sagt Dascha: «Du musst es ja nicht gleich der Polizei erzählen.»
Toljatti ist eine Stadt der Extreme. Es hat zum Beispiel extrem viele, extrem breite Strassen. Es hat sechsspurige Alleen und Kreisel, vor denen jener rund um den Arc de Triomphe in Paris mickrig wirkt. Gleichzeitig hat es, zumindest für westeuropäische Augen, extrem wenige Autos. Freie Fahrt für nicht ganz so freie Bürger, scheint der Wahlspruch der sowjetischen Erbauer Toljattis gewesen zu sein.
Trotzdem habe ich bereits drei Auffahrunfälle gesehen. Viele Autos haben Beulen hinten oder vorne links. Kurz: In Toljatti haben Autofahrer so viel Platz wie kaum woanders auf der Welt. Trotzdem testen sie offenbar dauernd das Raum-zeitkontinuum: Und nein, zwei feste Körper können auch in Toljatti nicht zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein.
Dascha präsentiert treuherzig die Lösung: «Hat halt keiner die Fahrprüfung gemacht.» Wie, keiner? Na, meint Anna: «Die kaufst du dir einfach.» Ja, auch sie. 100 Euro habe sie damals bezahlt, aber das sei ja schon ein paar Jahre her. Vielleicht sei der Kurs gestiegen. Und eben, das muss der Schweizer ja nicht gleich der Polizei melden. «Wobei», lacht Dascha, «bei der habe ich sie ja gekauft. Die wissen es eigentlich schon.»
Florian Raz berichtet in seiner Kolumne Poputschik (Russisch für «zufällige Reisebekanntschaft») von der Fussball-wm.