Das hat sich in einem Jahr #Metoo verändert
ZÜRICH. Ein Jahr nach der Lancierung von #Metoo zieht die Feministin Christina Klausener Bilanz. Politische Reaktionen machen ihr Sorgen.
ZÜRICH. Am 15. Oktober 2017 hatte Schauspielerin Alyssa Milano die Frauen dazu aufgerufen, unter dem Hashtag #Metoo gegen sexuelle Belästigung und Missbrauch zu kämpfen. Tausende Frauen haben seither ihre Erfahrungen öffentlich gemacht. Was hat die Bewegung in der Schweiz verändert? 20 Minuten hat bei einer Feministin, einem Männervertreter und bei Passanten nachgefragt.
Frau Klausener, was hat #Metoo erreicht?
Die Gesellschaft ist für das Thema Gewalt an Frauen sensibilisiert. Es wurde endlich enttabuisiert.
Woran zeigt sich das?
Die Opferhilfe hatte etwa einen grossen Anstieg bei den Beratungen. #Metoo hat vielen Frauen die Augen geöffnet. Sie sehen, dass ihre Erfahrungen einem sexistischen System geschuldet sind. In allen Generationen berichten Frauen von Gewalterlebnissen. Bisher wurde oft geschwiegen.
Ist die Diskussion in der breiten Öffentlichkeit angekommen?
Das finde ich schon. Es hat sicher geholfen, dass so viele Prominente betroffen waren. Was mir Sorgen macht, sind die Gegenreaktionen und eine Gegenbewegung – auch auf politischer Ebene. Frauen werden der Falschbeschuldigung bezichtigt oder die Thematik als Problem einer kleinen Minderheit bezeichnet. Man schenkt Frauen keinen Glauben, bezeichnet sie als zu emotional oder weist ihnen eine Mitschuld zu: Sie hätten sich ja nicht so aufreizend anziehen müssen, heisst es etwa. Das ist leider Usus, wenn Frauen Forderungen stellen. Wieso gibt es diese Reaktion?
Es gibt Menschen, die sich nicht konstruktiv auseinandersetzen wollen. Häufig spielen politische Strategien eine Rolle. Oft kommt als Antwort auch nur die simple Feststellung, dass auch Männer von Gewalt betroffen sind.
Was ja auch stimmt.
Natürlich! Und ich finde das ein wichtiges Thema. Häufig wird das Argument aber leider genutzt, um das Anliegen der Frauen wieder unter den Teppich zu kehren.
Inwiefern halten Sie die Rolle der Männer für problematisch?
Es geht um unser Bild von Männlichkeit. Sie wird heute häufig mit Dominanz und mit Stärker-sein verbunden. Da braucht es eine Emanzipation – auch der Männer.
Inwiefern hängt das mit sexuellem Missbrauch zusammen?
Männer üben oft Gewalt aus, weil sie verunsichert sind. Sie merken, dass sie dem stereotypen Bild nicht gerecht werden und beispielsweise mit Abweisung konfrontiert werden. In diesem Männlichkeitskonzept ist es dann nicht vorgesehen, etwa über Gefühle zu sprechen.
Sind sie optimistisch?
Ich bin eher positiv gestimmt. In der jüngeren Generation hat ein grosser Wandel stattgefunden. Toleranz, sexuelle Vielfalt und Offenheit sind selbstverständlicher.