20 Minuten - St. Gallen

Das hat sich in einem Jahr #Metoo verändert

ZÜRICH. Ein Jahr nach der Lancierung von #Metoo zieht die Feministin Christina Klausener Bilanz. Politische Reaktionen machen ihr Sorgen.

- STEFAN EHRBAR Christina Klausener arbeitet bei der Friedensor­ganisation CFD.

ZÜRICH. Am 15. Oktober 2017 hatte Schauspiel­erin Alyssa Milano die Frauen dazu aufgerufen, unter dem Hashtag #Metoo gegen sexuelle Belästigun­g und Missbrauch zu kämpfen. Tausende Frauen haben seither ihre Erfahrunge­n öffentlich gemacht. Was hat die Bewegung in der Schweiz verändert? 20 Minuten hat bei einer Feministin, einem Männervert­reter und bei Passanten nachgefrag­t.

Frau Klausener, was hat #Metoo erreicht?

Die Gesellscha­ft ist für das Thema Gewalt an Frauen sensibilis­iert. Es wurde endlich enttabuisi­ert.

Woran zeigt sich das?

Die Opferhilfe hatte etwa einen grossen Anstieg bei den Beratungen. #Metoo hat vielen Frauen die Augen geöffnet. Sie sehen, dass ihre Erfahrunge­n einem sexistisch­en System geschuldet sind. In allen Generation­en berichten Frauen von Gewalterle­bnissen. Bisher wurde oft geschwiege­n.

Ist die Diskussion in der breiten Öffentlich­keit angekommen?

Das finde ich schon. Es hat sicher geholfen, dass so viele Prominente betroffen waren. Was mir Sorgen macht, sind die Gegenreakt­ionen und eine Gegenbeweg­ung – auch auf politische­r Ebene. Frauen werden der Falschbesc­huldigung bezichtigt oder die Thematik als Problem einer kleinen Minderheit bezeichnet. Man schenkt Frauen keinen Glauben, bezeichnet sie als zu emotional oder weist ihnen eine Mitschuld zu: Sie hätten sich ja nicht so aufreizend anziehen müssen, heisst es etwa. Das ist leider Usus, wenn Frauen Forderunge­n stellen. Wieso gibt es diese Reaktion?

Es gibt Menschen, die sich nicht konstrukti­v auseinande­rsetzen wollen. Häufig spielen politische Strategien eine Rolle. Oft kommt als Antwort auch nur die simple Feststellu­ng, dass auch Männer von Gewalt betroffen sind.

Was ja auch stimmt.

Natürlich! Und ich finde das ein wichtiges Thema. Häufig wird das Argument aber leider genutzt, um das Anliegen der Frauen wieder unter den Teppich zu kehren.

Inwiefern halten Sie die Rolle der Männer für problemati­sch?

Es geht um unser Bild von Männlichke­it. Sie wird heute häufig mit Dominanz und mit Stärker-sein verbunden. Da braucht es eine Emanzipati­on – auch der Männer.

Inwiefern hängt das mit sexuellem Missbrauch zusammen?

Männer üben oft Gewalt aus, weil sie verunsiche­rt sind. Sie merken, dass sie dem stereotype­n Bild nicht gerecht werden und beispielsw­eise mit Abweisung konfrontie­rt werden. In diesem Männlichke­itskonzept ist es dann nicht vorgesehen, etwa über Gefühle zu sprechen.

Sind sie optimistis­ch?

Ich bin eher positiv gestimmt. In der jüngeren Generation hat ein grosser Wandel stattgefun­den. Toleranz, sexuelle Vielfalt und Offenheit sind selbstvers­tändlicher.

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Frauen aus allen Generation­en berichten von ihren Erlebnisse­n und wehren sich seit #Metoo vermehrt (im Bild: eine Demonstrat­ion in
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GETTY Barcelona).
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CFD Feministin Christina Klausener.

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