Krasser Fall von Sextortion kommt vor Gericht
USTER. Ein Schweizer stellte Nacktfotos eines finnischen Mädchens ins Netz. Später nahm sich die 14-Jährige das Leben. Jetzt findet der Prozess statt.
«Jeder hat Angst, zu sterben, bis man ein Kind verliert. Dann hat man Angst, zu leben»: Diesen Satz schrieb die Mutter ein halbes Jahr nach dem Tod ihrer Tochter auf Facebook. Im Juni 2017 hatte sich ihre Jüngste im Alter von 14 Jahren das Leben genommen. «5380 Tage Liebe», schrieb die Mutter an jenem Tag. «Es gab zu wenige Tage, aber jeder von ihnen war unbezahlbar.»
Das finnische Mädchen war Opfer von Sextortion geworden. Der Fall wird morgen am Bezirksgericht Uster ZH verhandelt. Im Herbst 2016 lernte die Minderjährige auf Chatroulette einen heute 30-Jährigen aus dem Kanton Zürich kennen. Dieser schickte ihr laut der Anklage gegen 30 Nacktfotos via Facebook-messenger. Er onanierte im Videochat auch vor ihren Augen.
Im Gegenzug forderte er das Mädchen auf, ihm Nacktfotos zu schicken, was dieses widerwillig tat. Die Aufnahmen verzu öffentlichte der Beschuldigte unter dem ganzen Namen des Mädchens auf einem Pornoportal. Das Profil benutzte er als Druckmittel, um noch mehr Nacktfotos zu erhalten. Das Mädchen forderte den doppelt so alten Mann mehrmals auf, die Fotos aus dem Netz zu nehmen. Ende 2016 drohte die 14-Jährige, sich umzubringen, wenn er die Bilder nicht lösche. Sie schickte ihm ein Foto, auf dem sie sich ein Messer an den Hals hielt.
Vergeblich: Laut der Anklage machte sich der vorbestrafte Schweizer gar noch über ihre Sorgen lustig. So hätten sich im Laufe des Kontakts die psychischen Probleme des Mädchens verschlimmert. Das Mädchen litt am Asperger-syndrom und an Essstörungen. Schliesslich habe «sich die Geschädigte nicht mehr anders helfen gewusst», als sich das Leben zu nehmen.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann mehrfache sexuelle Nötigung, mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern und mehrfache harte Pornografie vor. Der Suizid spielt im Prozess höchstens eine indirekte Rolle, da die Staatsanwaltschaft keinen kausalen Zusammenhang mit dem tragischen Tod annimmt. Dem beschuldigten Schweizer drohen zwei Jahre Gefängnis. Allerdings dürfte die Strafe zugunsten einer ambulanten Behandlung aufgeschoben werden.