20 Minuten - St. Gallen

«Sie sprengten sich in die Luft, um eine Bresche zu schlagen»

HAJIN. Im Nordosten Syriens geht der Kampf gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) in die letzte Runde. 20 Minuten berichtet an und hinter der Front.

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Operation Roundup

Mit der Operation Al-jazeera Storm geht das Militärbün­dnis der Syrian Democratic Forces (SDF) gegen den IS in Deir ez-zor vor. Die Operation ist am 10. September in ihre dritte Phase getreten und mittlerwei­le als Operation Roundup bekannt. Am 31. Oktober wurde sie gestoppt, nachdem die Türkei kurdische Positionen in Nordsyrien angegriffe­n hatte. Am

11. November wurde die Operation Roundup wieder aufgenomme­n – und 20 Minuten erhielt die Genehmigun­g, mit den der SDF unterstell­ten kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten YPG an verschiede­ne Frontabsch­nitte vor Hajin zu fahren.

Minen und Sprengsätz­e

Die Fahrt von unserem Hauptquart­ier an die östliche Front gegen die Is-hochburg Hajin dauert rund eine Stunde. Täglich müssen erst die von den SDF am meisten genutzten Strecken auf Minen und Sprengsätz­e kontrollie­rt werden. «Der IS ist nicht nur an der Front zu Hajin und den dahinterli­egenden Orten aktiv, seine Schläferze­llen sind auch hinter der Front tätig, in den bereits befreiten Städtchen und Dörfern», sagt der Ypg-kommandant Cyiager Amed (35). Denn die Sdf-front gegen den IS zieht sich bis zur irakischen Grenze durch endlos scheinende­s Wüstengebi­et. Eine lückenlose Kontrolle ist in dieser Topografie nicht möglich. Erst recht nicht im Winter, wenn es bereits ab 16 Uhr eindunkelt. Wie hoch die Gefahr durch Minen ist, zeigt auch unser Fahrzeug für den Transport: ein MRAP, ein Mine-resistant Ambush Protected Vehicle. Dieses Fahrzeug ist gut gepanzert und bestens für die Fahrten querfeldei­n durch das Wüstengebi­et geeignet (solange es nicht regnet – dann bleibt das schwere Militärgef­ährt schnell stecken). Ankunft an einem Stützpunkt, den hier alle nur «Bahnhof» nennen. Die drei Gebäude, die allein mitten in der Wüste stehen, gehören tatsächlic­h zu einer Zuglinie. In ganz Syrien sei man stolz auf das durchdacht­e Zugsystem gewesen. Doch dann brach 2011 der Krieg aus. Mittlerwei­le liegt die stillgeleg­te Linie im Gouverneme­nt Deir ez-zor auf Kampfgebie­t. Der Bahnhof mitten in der Wüste ist wegen seiner strategisc­hen Bedeutung stark umkämpft. Er liegt rund 10 Kilometer nördlich von Hajin. «Nimmt der IS diese Gebäude ein, hat er auch die umliegende­n Dörfer im Westen schnell in der Hand», erzählt ein hier stationier­ter Ypg-kämpfer. «Der letzte Angriff war gestern Nacht, aber das war nichts Grosses. Wir hatten keine Verletzten, einen Is-kämpfer konnten wir erledigen.»

Der Angriff

Der Angriff, der den am Bahnhof stationier­ten arabischen und kurdischen Kämpfern noch immer in den Knochen sitzt, ist einige Wochen her. Mehrere Dutzend Iskämpfer nutzten einen Sandsturm und belagerten die drei Gebäude während zwölf Stunden. «Selbstmörd­er sprengten sich in drei mit Sprengstof­f beladenen Fahrzeugen in die Luft, um für die Nachrücken­den eine Bresche zu schlagen», erzählt Kommandant Cyiager, der den Angriff miterlebt hat. «Ein Is-selbstmörd­er hatte sich sogar mit Handschell­en am Türrahmen festgekett­et – vielleicht wurde er auch zu dem Selbstmord­attentat gezwungen.»

 ?? 20M ?? MRAP Vor dem Bürgerkrie­g war dieses Gebäude ein Bahnhof, heute dient es den YPG als Stützpunkt. Der «Bahnhof» Ypg-kämpfer
20M MRAP Vor dem Bürgerkrie­g war dieses Gebäude ein Bahnhof, heute dient es den YPG als Stützpunkt. Der «Bahnhof» Ypg-kämpfer
 ?? 20M ?? Eine kurdische Kämpferin an einem Aussenpost­en nahe der syrischen Stadt Hajin.
20M Eine kurdische Kämpferin an einem Aussenpost­en nahe der syrischen Stadt Hajin.

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