Polizisten haben Angst vor Verfolgungsjagden
BERN. Aus Angst vor Strafen gehen Polizisten bei Verfolgungsjagden vom Gas. Das passt dem Polizeiverband gar nicht.
GENF. Ein Genfer Polizist kassierte eine bedingte Freiheitsstrafe: Er fuhr bei einer Verfolgungsjagd 76 km/h zu schnell. Auch andere Beamte wurden wegentempoüberschrei tungen verurteilt. Aus Angst, dass ihnen dies auch blüht, überlegten sich Polizisten solche Jagden genauer, so Adrian Wüthrich vom Berner Polizeiverband.
Mehrere Polizisten wurden kürzlich verurteilt, weil sie während Verfolgungsjagden gerast waren (siehe Boxen). Adrian Wüthrich, Präsident des Berner Polizeiverbands: «Die Polizisten sind vorsichtiger geworden.» Sie hätten Angst, selber wegen eines Gesetzesverstosses belangt zu werden. «Deshalb überlegen sich manche genauer, ob sie eine Verfolgungsjagd wirklich aufnehmen wollen.»
Auch Svp-nationalrätin und Ex-polizistin Andrea Geissbühler sagt, Polizisten seien mittlerweile immer «die Deppen», obwohl sie nur im Dienste des Staates handelten. Johanna Bundi Ryser vom Polizeibeamten-verband kritisiert: «Führt man diese Praxis weiter, werden die Polizisten davon abgehalten, ihre Arbeit richtig zu machen.» Es sei ein gefährliches Zeichen, wenn sich Polizisten wegen eines drohenden Verfahrens zweimal überlegen müssten, ob sie ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen wollten.
Zudem bemängelt sie die ungleiche Praxis der Gerichte, die über die Verhältnismässigkeit der Tempoübertretungen entscheiden. Zurzeit liegt ein Raserdelikt vor, sobald jemand das geltende Tempo in einem bestimmten Bereich über-
schreitet. Bundi Ryser fordert ein Überdenken der Urteilspraxis, um die Polizisten in der Ausübung ihres Auftrags zu schützen. Sp-verkehrspolitiker Thomas Hardegger ist anderer Meinung: «Das Gesetz macht Polizisten bewusst, dass auch sie keinen Freipass zum Rasen haben.»