Island erklärt ersten Gletscher für «tot»
REYKJAVÍK. Der Okjokullgletscher auf Island ist kein Gletscher mehr. Er hat in den letzten Jahren zu viel Eis verloren.
KONTROVERS Ein Opfer der Erderwärmung: Auf Island ist offiziell der erste Gletscher für «tot» erklärt worden. Der 700 Jahre alte Okjokull gilt formell nicht mehr als solcher, weil er mit nur noch 15 Metern Eisdicke zu leicht geworden ist, um sich vorwärtszuschieben. An der Abschiedszeremonie nahmen am Sonntag rund hundert Menschen teil.
An Ort und Stelle wurde eine Tafel enthüllt mit der Überschrift «Ein Brief an die Zukunft». Darauf heisst es: «In den nächsten 200 Jahren ist zu erwarten, dass alle unsere wichtigsten Gletscher den gleichen Weg gehen. Diese Gedenktafel dient dazu, anzuerkennen, dass wir wissen, was vor sich geht und was zu tun ist.» Auf der Tafel ist zudem die im Mai gemessene Co2-konzentration von 415 Teilen pro Million (ppm) vermerkt. Dies war der höchste jemals gemessene Kohlendioxid-gehalt in der Erdatmosphäre. «Ich hoffe, dass diese Zeremonie als Inspirationsquelle nicht nur für uns hier in Island, sondern auch für den Rest der Welt dient», so die isländische Ministerpräsidentin Katrin Jakobsdottir. Schliesslich sei hier «ein Gesicht der Klimakrise» zu sehen.
An der Zeremonie nahmen auch die frühere Uno-menschenrechtskommissarin Mary Robinson sowie zahlreiche isländische Forscher und Wissenschaftler der Rice University in den USA teil, die das Anbringen der Gedenktafel initiiert hatten. Schmelzende Gletscher verlieren weltweit nach neuen Schätzungen laut Zürcher Forschern jährlich rund 335 Milliarden Tonnen Eis.