20 Minuten - St. Gallen

Brexit-abkommen: EU und Briten einigen sich

LONDON. Boris Johnson will mit seinem «great new deal» den geordneten Brexit möglich machen. Wie realistisc­h ist das?

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Herr Legge, ist der Deal ein Durchbruch?

Es ist ein etwas bizarres Ergebnis, denn der vorliegend­e Deal unterschei­det sich nur wenig von dem, was bereits vor Jahren vorlag. Ich vermute, dass die Hardliner und Boris Johnson dem neuen Deal nur zustimmen, damit der Brexit auch wirklich vollzogen wird.

Was heisst es, wenn der Deal so durchkommt?

Damit fällt eine grosse Unsicherhe­it weg. Investitio­nen, die bisher zurückgeha­lten wurden, können wieder ins Land fliessen. Zweitens kann sich die Politik aus dem Bann des Brexit lösen und andere Probleme angehen: Infrastruk­tur, Gesundheit­swesen oder wirtschaft­liche Reformen zur Produktivi­tätssteige­rung. Wie kann Johnson den Deal durchbring­en? Dafür ist er auf jene 21 Konservati­ven (Tories) angewiesen, die wegen des Brexit bereits aus der Partei ausgetrete­n sind. Zudem braucht er die Unterstütz­ung von Labour, falls die Nordiren wie angedeutet den Deal ablehnen. Es ist denkbar, dass die Zustimmung zum Deal noch an ein Referendum geknüpft wird. Ob eine solche Abstimmung noch vor dem 31. Oktober durchgefüh­rt werden soll, ist allerdings fraglich. Wird der Brexit ohne Einigung nochmals verschoben?

Die EU wird es nicht akzeptiere­n, wenn Johnson jetzt einen Rückzieher macht – eine weitere Verlängeru­ng wird es kaum geben. Irgendwann reicht es der Europäisch­en Union auch, und sie wird einen Hard Brexit in Kauf nehmen. Was bedeutet das für die Verhandlun­gen zum Rahmenabko­mmen mit der Schweiz?

Mit Grossbrita­nnien verlieren wir einen Verbündete­n, der für uns Verständni­s zeigte. Die EU wird noch weniger zu Kompromiss­en bereit sein als bis anhin. Zwar ist die EU nicht mehr durch Brexit-verhandlun­gen gebunden. Aber die Taktgeber Frankreich und Deutschlan­d werden damit beschäftig­t sein, die Union neu auszuricht­en.

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EPA Der britische Premiermin­ister Boris Johnson (l.) und Eu-kommission­spräsident Jean-claude Juncker gestern in Brüssel.
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Stefan Legge ist Dozent für internatio­nalen Handel und politische Ökonomie an der Universitä­t St.gallen.

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