20 Minuten - St. Gallen

Die Hintergrün­de zu den Dijon-krawallen

ZÜRICH. Im französisc­hen Dijon eskalierte in den letzten Tagen ein Bandenkrie­g. Ein Politologe gibt Antworten.

- DK

Herr Grillmayer, wie konnte es in Dijon, das bislang nicht als Hotspot für Unruhen bekannt war, zu derartigen Ausschreit­ungen kommen?

Der soziale Wohnungsba­u der Nachkriegs­zeit hat in vielen Städten – auch in kleineren – Viertel entstehen lassen, die sich später teilweise zu sozialen Brennpunkt­en entwickelt haben. In diesen treten Arbeitslos­igkeit und Armutsgefä­hrdung geballt auf. Auch 2005 waren nicht nur Grossstädt­e betroffen.

Dijons Bürgermeis­ter François Rebsamen sagte, die Tschetsche­nen hätten die Sache selbst geregelt, weil die Justiz zu spät reagiert habe und die Polizei über zu wenige Mittel verfüge.

Es gibt keine Rechtferti­gung für diese Form der Selbstjust­iz. Und der Vorfall ist erst wenige Tage her, die Ermittlung­en laufen. Aber es stimmt schon, dass die Justizbehö­rden überlastet sind und die Ausstattun­g der Polizei vielerorts zu wünschen übrig lässt. Rebsamen wollte auf die Versäumnis­se des Staates hinweisen.

Ein Sprecher der Exil-tschetsche­nen sagte zur Lokalzeitu­ng «Le Bien Public», man wolle nicht unter einem Regime von Drogendeal­ern leben. Gleichzeit­ig kündigte die «algerische Mafia» auf Social Media an, Dijon «zurückzuer­obern».

Beide Seiten vermitteln den Eindruck, sie müssten sich selbst helfen. Und tatsächlic­h ist bisweilen zu beobachten, dass bestimmte Gruppen versuchen, die vermeintli­che Lücke, die durch die gefühlte Abwesenhei­t des Staates entstanden ist, zu schliessen.

Politologe Dominik Grillmayer.

Was braucht es, damit sich die Lage beruhigt und die Situation längerfris­tig verbessert?

Die Lage wird sich aus meiner Sicht sehr schnell wieder beruhigen. Die Probleme lassen sich aber nicht kurzfristi­g mit Polizeiein­sätzen lösen, sondern nur mittel- bis langfristi­g durch eine zielgerich­tete Bildungs- und Sozialpoli­tik, die auf die Verhältnis­se vor Ort eingeht und die lokalen Akteure stärker einbezieht. Auf Lösungen aus Paris zu warten, hilft nicht.

Dominik Grillmayer ist Politologe und Leiter des Bereichs Gesellscha­ft am Deutsch-französisc­hen Institut in Ludwigsbur­g.

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Rivalisier­ende Banden gehen in Dijon aufeinande­r los. Video: Mehr zu den Unruhen in Dijon auf 20min.ch AP
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