«Cassis hat sich noch in keiner Beiz blicken lassen»
MONTAGNOLA. Er mische sich nicht unter die Leute, schimpfen Dorfgenossen von Bundesratskandidat Ignazio Cassis. Andere aber schwärmen von ihm.
Einige Bewohner sitzen auf der Veranda der Osteria Donada im Herzen des Tessiner Dorfs Montagnola beim Frühschoppen. Fällt der Namen ihres Dorfgenossen Ignazio Cassis, gehen die Emotionen hoch. Es sei Zeit, dass ein Tessiner in Bern an die Macht komme, finden sie. Aber dass der Tessiner FDPNationalrat für den frei werdenden Bundesratssitz nominiert wurde, passt ihnen nicht. Cassis mische sich nicht unter die Leute. A. L.* (56): «Er hat sich hier noch in keiner Beiz blicken lassen und noch nie mit jemandem von uns geredet. Spöttisch fügt P. L.* (67) an: «Er fährt nur in seinem Mercedes vorbei.» Cassis sei keiner «von ihnen», so A. L. «Er ist ein reicher Mann, ihm geht es gut.» In der direkten Umgebung von Cassis’ Haus reiht sich Villa an Villa. Ab und zu fahren edle Offroader in die Garagen. Marco Wazzao (66) bekräftigt: «Cassis ist einem Bundesrat nicht gewachsen.» Er verteidige nicht die Interessen der Tessiner. «Die italienischen Grenzgänger sind ihm total egal, dabei haben wir einen Haufen Arbeitslose.»
In Montagnola hat Cassis aber mindestens so viele Freunde. Nadine Dalla Bona (41), Inhaberin des Coiffeursalons Ornella, schwärmt von ihm. Im Salon, in dem sie vorher arbeitete, liess sich Cassis die Haare schneiden. «Er ist ein fröhlicher, aufgestellter, angenehmer und einfacher Mensch.» Sie habe ihn als sehr menschliche Person kennen gelernt. «Und genau solche Leute brauchen wir im Bundesrat.» Auch Giovanni Lucchini, Inhaber der Macelleria Collina d’Oro, sagt: «Ich denke, dass Ignazio Cassis bei den Leuten gern gesehen ist.» Er habe ihn an diversen öffentlichen Veranstaltungen im Tessin gesehen und ihm einen guten Eindruck gemacht. «Er ist dynamisch, besonnen und pragmatisch – er weiss, was die Tessiner beschäftigt.» Der pensionierte Bankangestellte Mario Cameroni (73) wohnt wenige Meter entfernt von Cassis’ Villa . «Ich sehe ihn kaum. Er ist immer weg. Aber wenn ich ihm begegne, sehe ich eine strahlende Persönlichkeit. Er lächelt immer.»
*Namen der Redaktion bekannt