Automobiler Antichrist mit Charme
In Zeiten von SBB Green Class und CO2-Debatte passt der Cadillac Escalade so überhaupt nicht auf unsere Strassen. Aber Spass macht er trotzdem.
Wer seine grünen Nachbarn in Zürich, Bern oder Basel ärgern will, der schmeisst am Samstagabend keine laute Party und pustet den Garten am Sonntagmorgen auch nicht mit einem Laubbläser durch. Nein, das ist zu wenig nachhaltig. Wer sich ein paar neue Feinde schaffen will, der kauft sich den Cadillac Escalade, den luxuriösen Nachfolger des automobilen Antichristen der Nullerjahre, den Hummer H2.
Im Gegensatz zum Hummer sieht der Cadillac zwar nicht aus, als ob er direkt von einem Kriegsschauplatz kommen würde. Und wenn schon Wüste, dann Dubai und nicht Irak oder Afghanistan. Doch das hindert Herrn und Frau Schweizer nicht daran, die Nase zu rümpfen oder mit dem Kopf zu schütteln, wenn man mit dem Cadillac angerollt kommt.
Die schiere Grösse des Luxus-SUV, die funkelnde Chromfront, die schon von weitem blendet, oder die automatisch ausfahrenden Trittbretter an der Seite – mit so viel Protz und Auto schafft man sich in der auf Understatement bedachten Schweiz keine Freunde. Aber ein paar Feinde.
Doch so lange man im Escalade sitzt, können die einem völlig egal sein, denn obwohl Design und Infotainment oder Material und Verarbeitung ebenso wenig mit europäischen Konkurrenten mithalten können wie der technische Aufwand des 6,2-Liter-V8 mit den fortschrittlichen Motoren der Europäer – der Escalade macht Spass. Am Steuer des Luxusdampfers verliert jeder Fahrer jegliche Aggressivität, die Passagiere geniessen das luftige Gefühl des Amis und lümmeln in den Fauteuils. Selbst die meist mühsame Fahrt von Zürich nach Bern fühlt sich an wie ein «Ballonflug über dem Mittelland», zumal die leistungsfähige Klimaanlage alle Wünsche erfüllt und die Soundanlage begeistert.
Erst beim Parkieren vor der Dorfmetzgerei – ein EscaladeFahrer ist sicher kein Veganer –, sorgt man wieder für Aufsehen, stellt das Schaufenster im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten und erntet wieder Kopfschütteln.
Egal. Wie sagte doch einst US-Schauspieler Paul Newman: «Hast du keine Feinde, hast du keinen Charakter!»