Patriotismus vor dem TV
Wenn Sie diese Kolumne lesen, ist es leider schon zu spät. Zu spät, weil der letzte Wille fehlte. Zu spät, weil die Hürde halt einfach zu gross war. Zu spät, weil auch die Kosten zu hoch gewesen wären. Zu spät, weil alles so kompliziert geworden wäre. Zu spät, weil sonst niemand den Trip auch hätte mitmachen wollen. Zu spät, weil ja heute noch eine wichtige Sitzung ansteht und der Chef einen so kurzfristigen Antrag mit einem hämischen Lächeln quittiert hätte. Zu spät, weil vielleicht auch zu Hause im Moment schwierige Umstände herrschen. Zu spät, weil nicht sicher ist, ob es sich denn auch tatsächlich lohnt.
Zu spät, weil vielleicht auch die totale Verbundenheit fehlt. Zu spät, weil die Schwingen des Doppeladlers schon vor langer Zeit das Gemüt aufgewühlt haben und der Erfolg dieser multikulturellen Mannschaft vielleicht doch nicht das letzte Hemd wert sind. Zu spät, weil das Herz nicht die gleiche Leidenschaft teilt wie bei den Latinos, die das Abenteuer in Scharen auf sich genommen haben. Zu spät, weil man ja auch vor dem TV für 90 Minuten patriotisch sein kann.
Umso erstaunlicher ist es, dass ein paar wenige Schweizer Fans einige Tage zu früh in St. Petersburg eingetroffen sind und sich vor dem Achtelfinal gegen Schweden folgenden Zustand leisten: «Keine Termine und leicht einen sitzen.» Es ist die Definition von Glück vom deutschen Alleskönner Harald Juhnke. Selig.