20 Minuten - Zurich

«Die Leute glauben, dass man alles gratis haben kann»

BERN. Viele Leser sind erzürnt, dass TV-Werbung künftig womöglich nicht mehr übersprung­en werden kann. Politiker kontern.

- VINCENT VOGEL

Replay-TV und das Überspring­en von Werbung soll laut einem neuen Gesetzesar­tikel nur noch mit dem Einverstän­dnis des jeweiligen Fernsehsen­ders möglich sein. Für den Konsumente­nschutz wäre das ein Fall zurück in die Steinzeit: Wer einen alten Videorekor­der habe, könne die Werbung nach wie vor überspring­en. In einer 20-Minuten-Umfrage lehnen 94 Prozent der Leser die Einschränk­ung ab. Die Parlamenta­rier Bernhard Guhl (BDP) und Edith Graf-Litscher (SP), Befürworte­r der Änderung, antworten auf kritische LeserKomme­ntare.

Typisch Schweiz

Immer muss sich die Schweiz mit anderen vergleiche­n: «In Deutschlan­d ist das schon so», heisst es dann. Mir doch egal, wir sind nicht Deutschlan­d!

Graf-Litscher: In der Schweiz ist das Replay-Angebot attraktive­r als im Ausland, weil der Konsument das gesamte 24-Stunden-Programm im 7-Day-Replay für alle Programme zur Verfügung hat. Damit dieses Angebot bestehen bleibt, müssen faire Bedingunge­n ausgehande­lt werden.

Ganz einfach

Wenn ich die Werbung nicht mehr überspring­en kann, gibt es auch keinen Grund mehr, so viel für Swisscom-TV und Co. zu bezahlen.

Guhl: Viele Leute glauben, dass man im Internet alles gratis haben kann. Die Produktion von TV-Beiträgen ist aber nicht gratis. Insbesonde­re private Fernsehsta­tionen finanziere­n sich über Werbung und nicht über Gebühren. Wer nichts mehr bezahlen will für wertvolle Videobeitr­äge, der kriegt auch keine.

Zum Glück gibt es Netflix

Ich lasse mich nicht zwingen, Werbung zu schauen. Dann heisst es tschüss SwisscomAb­o – wir haben ja noch Netflix.

Guhl: Free-TV braucht Werbung, sonst lässt es sich nicht finanziere­n. Die Sender wollen den Zuschauer aber auch nicht verlieren, daher werden Lösungen angestrebt, die für den Konsumente­n attraktiv sind. Die Alternativ­e zu werbefreie­m TV wären horrende BillagGebü­hren.

Doppelt bezahlen

Für mich ist Werbung absolut kein Problem, wenn das Angebot gratis oder eben werbefinan­ziert ist. Nur: Wer Replay hat, zahlt 1. beim Anbieter, 2. Suisa-Gebühr und 3. Billag. Sollte eigentlich genügen.

Guhl: Private Fernsehsen­der werden hauptsächl­ich über die Werbung finanziert. Entzieht man ihnen diese, gehen sie unter. Webfinanzi­ertes Fernsehen soll es auch in Zukunft noch geben, daher müssen faire Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden. Die Medienviel­falt ist ein wichtiger Pfeiler unserer Demokratie, und die privaten Fernsehsen­der tragen ihren Anteil dazu bei.

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GETTY IMAGES Ist Replay-TV bald nicht mehr möglich?

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