«Sanktionen für die Saudis? Ihre Einkaufsliste ist zu lang»
ISTANBUL. Im Falle des verschwundenen SaudiJournalisten sind viele Fragen offen. Experte Erich Schmidt-Eenboom hat Antworten.
Herr Schmidt-Eenboom, sind die Saudis so naiv zu glauben, sie kämen mit ihrer Wir-wissenvon-nichts-Version davon?
Ja. Die Ermittlungsergebnisse sprechen dafür, dass es ein geplanter, politischer Mord mit möglicherweise vorangegangener Folter war.
Sie glauben dem Dementi des Kronprinzen nicht?
Das halte ich für eine ganz fromme Lüge. Wenn dem so wäre, müsste er seinen Geheimdienst-Chef entlassen und die Täter wegen Mordes zur Rechenschaft ziehen. Das wird nicht passieren.
Wieso nicht?
Die saudische Führung würde jeden Rückhalt im eigenen Nachrichtendienst verlieren. Der Sicherheitsapparat ist eine der wichtigsten Machtsäulen von Kronprinz Mohammed. Die Türkei leakte schon sehr früh Informationen, offiziell aber nur scheibchenweise. Warum?
Ankara hat schon sehr früh akustische Beweise vorgelegt und deutlich gemacht, dass Herr Khashoggi das Konsulat nie verlassen hat. Dann kam das Dementi aus Riad. Deswegen legten die Türken mit durchgesickerten Informationen aus ihren Videoaufzeichnungen nach. So machte Ankara das Dementi der Saudis unglaubwürdig.
Wie kamen diese Beweise überhaupt zustande?
Für die Videobeweise habe ich nur eine plausible Erklärung: Die Täter wollten den Vollzug möglichst schnell nach Riad melden. Sie nahmen die Tat auf und schickten das Video nach Riad. Doch der türkische und amerikanische Geheimdienst fingen das Material ab. Schrecken mögliche Sanktionen die Saudis von solchen Aktionen nicht ab?
Nein. Das Königreich kann sicher sein, dass die USA nicht auf diese Linie einschwenken werden. Dafür ist, salopp gesagt, die Einkaufsliste der Saudis zu lang.
«Die Ergebnisse der Ermittlungen sprechen dafür, dass es ein politischer Mord war.» Erich Schmidt-Eenboom Geheimdienstexperte