Beinahe-Crash: Wird Fluglotse bestraft?
ZÜRICH. Das Gericht muss entscheiden, ob ein Lotse wegen eines Beinahe-Crashs bestraft wird. Das verunsichert die Branche.
Ein Skyguide-Mitarbeiter erteilte am Flughafen Zürich zwei Swiss-Maschinen mit insgesamt über 260 Menschen an Bord kurz nacheinander die Starterlaubnis – aber auf sich kreuzenden Pisten. «Mein Plan war, dass diese Flugzeuge hintereinander starten und dass es reicht», sagte er gestern vor Obergericht. Einer der Piloten brach den Start jedoch im letzten Moment ab. Wenige Sekunden später erteilte auch der beschuldigte Lotse den Befehl zum Startabbruch – aber erst, nachdem bei ihm ein Alarm losgegangen war. Er habe keine Regeln verletzt, sondern nur sein Bestes gegeben, so der Lotse, der seit dem Vorfall vor sieben Jahren im Hintergrund der Flugsicherung arbeitet. «Dafür darf man doch nicht verurteilt werden.» Was ihm passiert sei, könne jedem anderen auch passieren.
Die Staatsanwaltschaft fordert hingegen eine Verurteilung wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs und eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100 Franken. «Es ist einzig dem Zufall und dem Verhalten des einen Piloten zu verdanken, dass es nicht zur Kollision kam», so der Ankläger. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, die Gefährdung vorauszusehen.
Die Vorinstanz, das Bezirksgericht Bülach, war noch anderer Meinung und sprach den Lotsen frei. Das Obergericht verkündet das Urteil am 12. Dezember. Gestern standen vor Gericht dem beschuldigten Lotsen viele Kollegen bei. Die Skyguide-Mitarbeitenden fürchten um die Fehlerkultur, also dass Fehler wegen drohender Gerichtsprozesse nicht mehr intern gemeldet werden.