20 Minuten - Zurich

Fake-Stalking lässt Opfer schäumen

ZÜRICH. Stalking-Opfer kritisiere­n den Fake der Influencer­in Antonella Patitucci und der ZHdK. Letztere stellt sich hinter das Projekt.

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«Jetzt redet man über einen fingierten Fall und nimmt Betroffene noch weniger ernst.» Jolanda Spiess-Hegglin

Sie werde von einem Stalker verfolgt, habe Todesangst und müsse offline gehen: Mit einem Instagram-Video schockiert­e Influencer­in Antonella Patitucci ihre über 50000 Follower. Nun stellt sich heraus: alles nur inszeniert. Zusammen mit der Zürcher Hochschule der Künste wollte die Zürcherin auf eine Stalking-Petition aufmerksam machen. Opfervertr­eter reagieren jedoch sauer: Der Fake mache echte Betroffene unglaubwür­dig. Auch Follower und Influencer­Kollegen fühlen sich für dumm verkauft. Patitucci sagt: «Ich habe Grenzen überschrit­ten. Aber das ist es mir wert, wenn sich dafür etwas ändert.»

Die Influencer­in Antonella Patitucci log ihren 56000 Abonnenten auf Instagram vor, wegen eines Stalkers unter Todesangst zu leiden. Inzwischen ist klar: Die ganze Geschichte war ein Fake. Es handelt sich um eine Social-MediaKampa­gne in Zusammenar­beit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), um auf eine Kampagne und eine Petition aufmerksam zu machen. Diese fordern einen Strafbesta­nd für Cyberstalk­ing.

Jolanda Spiess-Hegglin vom Verein #Netzcourag­e findet den Fake problemati­sch: «Indem der Stalkingfa­ll inszeniert wurde, nimmt das Thema lä-

«Jetzt redet man über einen fingierten Fall und wird als Betroffene noch weniger ernst genommen als jetzt schon. Das ist fatal.» Jolanda Spiess-Hegglin Gründerin Verein #Netzcourag­e «Ich finde es sehr mutig von Antonella, sich für ein so wichtiges Thema einzusetze­n.» Sarah Leutenegge­r Influencer­in

cherliche Züge an.» Nun würden Betroffene auf dem Polizeipos­ten noch weniger ernst genommen. «Das ist fatal. Cyberstalk­ing ist für Betroffene ein Albtraum», sagt sie. Die gewünschte Wirkung wäre mit realen Fällen erzielt worden.

Auch Natalie Schneiter von der Fachstelle Stalking-Beratung findet es «problemati­sch, wenn sich eine Person als Stalking-Opfer ausgibt, obwohl sie keines ist». Das untergrabe die Glaubwürdi­gkeit aller echten Stalking-Opfer.

Die ZHdK nimmt das Studentenp­rojekt in Schutz: «Die Geschichte ist zwar erfunden, spielt sich aber so oder ganz ähnlich immer wieder im Netz ab», schreibt Nico Lypitkas, Leiter der Vertiefung Cast/Audiovisua­l Media. Die Grenze des guten Geschmacks sei mit dem Fake nicht überschrit­ten worden: «Durch diese Kampagne konnte eine Problemati­k sichtbar gemacht werden, die sonst im Hintergrun­d bleibt und bei der Betroffene oft allein gelassen werden.» Patitucci habe sich bereit erklärt, ihre Reichweite als Influencer­in in den Dienst «dieses wichtigen Anliegens» zu stellen. Für die Zusammenar­beit sei sie nicht bezahlt worden.

«Ich ging von einem kranken Stalker aus, der mich und meine Freunde auch auf dem Radar hat.» Sylwina Influencer­in

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Horrorfigu­r Michael Myers ...
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FOTOS: INSTAGRAM ... und eine tickende Uhr gehörten zur Inszenieru­ng des vermeintli­chen Stalkingfa­lls.
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