Wie der junge Zain um sein Leben kämpft
Berührendes Drama mit dokumentarischen Zügen und talentierten Laiendarstellern.
«Ich will meine Eltern verklagen!», ruft der zwölfjährige Zain (stark: Zain Al Rafeea) aus dem libanesischen Jugendgefängnis ins Live-TV an. Offensichtlich hat er einen Menschen erstochen, und ein Gerichtsprozess soll nun die Schuldfrage klären. Doch Zain fordert Gerechtigkeit: «Ich will, dass die Erwachsenen hören, was ich zu sagen habe. Ich habe Leute satt, die nicht für ihre Kinder sorgen können.» Er meint damit auch jene Gewalt, Beleidigungen, Schläge mit der Kette, der Röhre und dem Gürtel, die sein Leben zur Hölle machten, sodass er sich zur Tat gezwungen sah.
So schlimm Zains Leidensweg auch klingt, die Regisseurin Nadine Labaki erzählt ihn mit grossem Einfühlungsvermögen. Die Ausgangsidee eines Jungen, der seine Eltern verklagt und nie hätte geboren werden wollen, scheint extrem, lässt aber aufhorchen.
Die einleitenden Gerichtsszenen befremden, aber spätestens mit dem Eintauchen in Zains Leben in den dreckigen Strassen Beiruts gerät man in einen Sog aus Staunen, Entsetzen, aber auch einem unwiderstehlichen Charme und stellenweise gar feiner Ironie. Immer mehr wächst einem der Junge ans Herz, man fiebert und leidet mit ihm mit und hofft auf ein Happy End. Doch seine Welt ist Chaos pur, wie es auch der Filmtitel beschreibt. So gesehen ist «Capharnaüm» nicht einfach Betroffenheitskino, sondern ein fiktives Drama, das dank authentischen Laiendarstellern und Originalschauplätzen immer wieder quasidokumentarische Züge annimmt.
★★★★★