SVP-Parteiprogramm sorgt für Kritik
BERN. Die SVP hat gestern ein neues Parteiprogramm präsentiert. Der Politologe Claude Longchamp sagt, er erwarte einen aggressiven Wahlkampf.
Herr Longchamp, welche Punkte aus dem Programm haben Sie überrascht? Eigentlich keiner. Programmatisch blieb die SVP seit der Masseneinwanderungsinitiative 2014 stehen. Ich sehe seither nichts Neues. Trotzdem hat die SVP ein vernünftiges Regierungsprogramm vorgelegt.
Gewisse Vorschläge wie die Praxisgebühr oder das höhere Rentenalter bedeuten eine Belastung für die Wähler. Wieso? Das Programm zeigt: Die SVP will eine klar rechts positionierte Regierungspartei werden. Noch vor acht Jahren verstand sie sich als Oppositionspartei. Nun versucht sie, auch Vorschläge zu machen, bei denen sie sich mit der FDP und in geringerem Masse mit der CVP treffen könnte.
Wieso fehlt es an neuen Ansätzen? Früher wollte sich die SVP in anderen Politikfeldern profilieren. Das ist sinnvoll, wenn man neue Wähler gewinnen will. Möglicherweise will das die SVP aber gar nicht, sondern gibt sich die Vorgabe, die 29,3 Prozent vom letzten Mal zu halten. Das ist immerhin ein Schweizer Rekord.
Die SVP wollte sich für Städter und ein intellektuelles Publikum öffnen. Das hat auch die eher zurückhaltende Kampagne zur Selbstbestimmungsinitiative (SBI) gezeigt.
Das stimmt, aber der Effekt war gleich null. Mit der SBI wollte die SVP auch gemässigte Bürgerliche ansprechen. Der Ja-Anteil von 33 Prozent war eine grosse Enttäuschung. Ich glaube, die SVP wird sich auf ihre bisherige Wählerschaft konzentrieren. Ich sehe nicht, dass sie neue Wählerschichten gewinnen will. Erwarten Sie einen aggressiven Wahlkampf?
Ja. Für die Mobilisierung gibt es kein besseres Konzept, als zu provozieren. Das gibt Medienaufmerksamkeit und ermöglicht es, auch nicht an Politik interessierte Menschen anzusprechen. Welches Resultat prognostizieren Sie der SVP bei den Wahlen im Herbst?
Ich denke, sie wird etwa stabil bleiben. Ich sehe weder einen grossen Einbruch noch grosse Gewinne.
Claude Longchamp ist Politologe und Historiker.