20 Minuten - Zurich

«Ich durfte nur hübsche Bewerberin­nen einladen»

ZÜRICH. Eine ehemalige Stellenver­mittlerin erzählt von ihrem damaligen Alltag. Es wird klar: Das Aussehen spielte eine wichtige Rolle.

- QENDRESA LLUGIQI

Was war Ihre Aufgabe bei dem Stellenver­mittler?

Wir waren auf das Gastrogewe­rbe spezialisi­ert und vermittelt­en sowohl Fest als auch Temporäran­stellungen – letztere vorwiegend an Studentinn­en. Die Weisung des Geschäftsf­ührers: Wenn sie hübsch sind und höchstens eine 38 tragen, rekrutiere­n wir auch unqualifiz­ierte Personen. Wie lief die Rekrutieru­ng ab?

Als Erstes musste ich jeweils das Bewerbungs­bild anschauen. Nur gutaussehe­nde Bewerberin­nen durfte ich dann zu einem Interview einladen. Dort musste ich dann ein Porträt und ein Ganzkörper­bild machen. Danach schaute sich mein Chef die Dossiers meiner Bewerber genau an.

Warum das?

Er wusste, dass ich Bewerber in unsere Kartei aufnehme, die weniger hübsch, aber dafür qualifizie­rt waren. Wenn ich das tat, stauchte er mich zusammen und meinte: «Die isch aber wieder mol es Räf.»

Wie ging es dann weiter?

Hübschere Bewerberin­nen hatten klar die besseren Chancen. Auch wenn sie keine Erfahrung hatten in der Gastronomi­e, meinte unser Chef: «Ach, komm. Die lernt das schnell.» Bei weniger hübschen Frauen suchte er nach Ausreden à la «Sie hat nicht genügend Qualifikat­ionen».

Arbeiten Sie noch dort?

Nein. Vor zwei Jahren gab es einen Vorfall. Ich wollte einen gut qualifizie­rten, dunkelhäut­igen Barkeeper einstellen. Mein Chef fand sein Dossier auf meinem Tisch vor und meinte: «Den willst du sicher nicht einladen, oder?» Am folgenden Montag wurde mir gekündigt. Heute arbeite ich als Administra­tionsmitar­beiterin. Mein ehemaliger Chef vermittelt aber bis heute.

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Eine ehemalige Stellenver­mittlerin erzählt.

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