«Ich durfte nur hübsche Bewerberinnen einladen»
ZÜRICH. Eine ehemalige Stellenvermittlerin erzählt von ihrem damaligen Alltag. Es wird klar: Das Aussehen spielte eine wichtige Rolle.
Was war Ihre Aufgabe bei dem Stellenvermittler?
Wir waren auf das Gastrogewerbe spezialisiert und vermittelten sowohl Fest als auch Temporäranstellungen – letztere vorwiegend an Studentinnen. Die Weisung des Geschäftsführers: Wenn sie hübsch sind und höchstens eine 38 tragen, rekrutieren wir auch unqualifizierte Personen. Wie lief die Rekrutierung ab?
Als Erstes musste ich jeweils das Bewerbungsbild anschauen. Nur gutaussehende Bewerberinnen durfte ich dann zu einem Interview einladen. Dort musste ich dann ein Porträt und ein Ganzkörperbild machen. Danach schaute sich mein Chef die Dossiers meiner Bewerber genau an.
Warum das?
Er wusste, dass ich Bewerber in unsere Kartei aufnehme, die weniger hübsch, aber dafür qualifiziert waren. Wenn ich das tat, stauchte er mich zusammen und meinte: «Die isch aber wieder mol es Räf.»
Wie ging es dann weiter?
Hübschere Bewerberinnen hatten klar die besseren Chancen. Auch wenn sie keine Erfahrung hatten in der Gastronomie, meinte unser Chef: «Ach, komm. Die lernt das schnell.» Bei weniger hübschen Frauen suchte er nach Ausreden à la «Sie hat nicht genügend Qualifikationen».
Arbeiten Sie noch dort?
Nein. Vor zwei Jahren gab es einen Vorfall. Ich wollte einen gut qualifizierten, dunkelhäutigen Barkeeper einstellen. Mein Chef fand sein Dossier auf meinem Tisch vor und meinte: «Den willst du sicher nicht einladen, oder?» Am folgenden Montag wurde mir gekündigt. Heute arbeite ich als Administrationsmitarbeiterin. Mein ehemaliger Chef vermittelt aber bis heute.