Tochter verurteilt: Sie wollte Vater mit Spritze erlösen
ZÜRICH. Im Spital wollte eine Frau ihren Vater von seinen Leiden erlösen. Sie wurde gestern verurteilt.
Einem 87-jährigen Mann ging es im Februar 2018 gesundheitlich sehr schlecht. Nach einem Schlaganfall kam er auf die Intensivstation im Zürcher Triemlispital. Der demente Mann konnte kaum essen und trinken, ohne sich zu verschlucken. Das machte seiner Tochter schwer zu schaffen, sie wollte ihn von seinem Leid erlösen. Mit einer mitgebrachten Spritze wollte sie Luft in den Venenkatheter des schlafenden Patienten spritzen und so eine tödliche Embolie herbeiführen. Es blieb beim Versuch. Das Pflegepersonal bemerkte den Vorfall. Die Tochter kam für einen Tag in Haft. Der Vater wurde ins Altersheim zurückverlegt und starb einen Monat später eines natürlichen Todes.
An der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich sagte die 59-Jährige gestern unter Tränen: «Ich wollte meinen Vater erlösen, nicht umbringen.» Ihr Vater habe immer gesagt, dass er so nicht mehr leben wolle. «Es tut mir leid. Ich würde es nie mehr machen.» Dass der Staatsanwalt mit den geforderten zwei Jahren die Minimalstrafe für vorsätzliche Tötung massiv unterschritt, begründete er damit, dass es beim Versuch geblieben sei, ein Geständnis vorliege und die Frau unter seelischer Belastung gestanden sei. Ihr Anwalt verlangte einen Freispruch. Seiner Mandantin sei es nicht gelungen, die Spritze auf den Katheter zu setzen und den Hebel zu öffnen. Doch das Gericht verurteilte die Frau zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen versuchten Totschlags. Aktive Sterbehilfe sei strafbar, sie habe aber unter entschuldbarer seelischer Belastung gehandelt.