20 Minuten - Zurich

Tochter verurteilt: Sie wollte Vater mit Spritze erlösen

ZÜRICH. Im Spital wollte eine Frau ihren Vater von seinen Leiden erlösen. Sie wurde gestern verurteilt.

- STEFAN HOHLER

Einem 87-jährigen Mann ging es im Februar 2018 gesundheit­lich sehr schlecht. Nach einem Schlaganfa­ll kam er auf die Intensivst­ation im Zürcher Triemlispi­tal. Der demente Mann konnte kaum essen und trinken, ohne sich zu verschluck­en. Das machte seiner Tochter schwer zu schaffen, sie wollte ihn von seinem Leid erlösen. Mit einer mitgebrach­ten Spritze wollte sie Luft in den Venenkathe­ter des schlafende­n Patienten spritzen und so eine tödliche Embolie herbeiführ­en. Es blieb beim Versuch. Das Pflegepers­onal bemerkte den Vorfall. Die Tochter kam für einen Tag in Haft. Der Vater wurde ins Altersheim zurückverl­egt und starb einen Monat später eines natürliche­n Todes.

An der Verhandlun­g vor dem Bezirksger­icht Zürich sagte die 59-Jährige gestern unter Tränen: «Ich wollte meinen Vater erlösen, nicht umbringen.» Ihr Vater habe immer gesagt, dass er so nicht mehr leben wolle. «Es tut mir leid. Ich würde es nie mehr machen.» Dass der Staatsanwa­lt mit den geforderte­n zwei Jahren die Minimalstr­afe für vorsätzlic­he Tötung massiv unterschri­tt, begründete er damit, dass es beim Versuch geblieben sei, ein Geständnis vorliege und die Frau unter seelischer Belastung gestanden sei. Ihr Anwalt verlangte einen Freispruch. Seiner Mandantin sei es nicht gelungen, die Spritze auf den Katheter zu setzen und den Hebel zu öffnen. Doch das Gericht verurteilt­e die Frau zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen versuchten Totschlags. Aktive Sterbehilf­e sei strafbar, sie habe aber unter entschuldb­arer seelischer Belastung gehandelt.

 ?? KEYSTONE ?? Die Tat ereignete sich im Triemlispi­tal.
KEYSTONE Die Tat ereignete sich im Triemlispi­tal.

Newspapers in German

Newspapers from Switzerland