«Manchmal denke ich den ganzen Tag nur ans Sterben»
HERISAU. Mehr als Beauty und Good Vibes auf Insta: Flavia (21) folgt dem «Sick Style» und zeigt offen ihre psychischen Probleme.
Schon als 13-Jährige war Flavia häufig bedrückt, empfand wenig Freude und fühlte sich oft leer. «Im dritten Lehrjahr hatte ich meinen ersten Zusammenbruch», erinnert sie sich. Flavia leidet unter schweren Depressionen, einer BorderlineStörung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und Panikattacken. Zwölf Aufenthalte in einer psychiatrischen Klinik liegen mittlerweile hinter der Herisauerin; seit 2016 befindet sie sich durchgehend in Therapie. Wenn Flavia depressive Phasen hat, kann sie kaum ihren Haushalt bewältigen. «Alles fällt mir schwer, sogar das Duschen und das
Kochen», so die 21-Jährige. «Am liebsten bin ich dann den ganzen Tag im Bett.» In dunklen Momenten verstärken sich auch ihre Suizidgedanken. «Dann kann es sein, dass ich den ganzen Tag nur ans Sterben denke. Das bedeutet für mich Befreiung.»
Wenn sie völlig am Boden ist, lenkt Flavia sich ab, indem sie näht oder malt. Ihre Tipps gibt sie seit zwei Jahren auf Instagram an ihre 426 Follower weiter. «Ich möchte zeigen, wie sich meine psychischen Probleme anfühlen, und ich will über die Krankheiten aufklären.» Ihre Bilder tragen Hashtags wie #Psychischkrank, #Starkbleiben, #Narben und #Gesundwerden, einige zeigen Tabletten oder Ritznarben.
Flavia erhält auf ihre schonungslosen Beiträge viele positive Reaktionen, die sie in ihrem Tun bestärken. Doch ihre Offenheit hat Grenzen – ganz bewusst: Ein Bild von aufgeritzten Armen würde sie nie ins Netz stellen, sie schreibt auch nie über Suizidversuche oder Verletzungsmethoden. Suizidankündigungen oder Bilder offener Wunden zu posten, findet sie gefährlich: «Das kann einen Nachahmungseffekt auslösen. Und überhaupt: Mit meinen Beiträgen möchte ich anderen Mut machen und sie nicht herunterziehen.»