Droht Europa neues Flüchtlings-Chaos?
ISTANBUL. Zehntausende Flüchtlinge sollen sich auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland befinden. Was bedeutet das für die Schweiz?
Vor Europas Grenzen harren derzeit Tausende syrische Flüchtlinge aus. Laut der UNO warten 13 000 Menschen vor Griechenland in der Kälte. Die Türkei spricht sogar von 76358 Personen. Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag die Grenzen nach Europa geöffnet. Die Zustände erinnern an die Flüchtlingskrise ab 2015, als sich die Migrantenzahlen auf 1,3 Millionen verdoppelten. In der Türkei befinden sich 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (66) hat seine Drohung, Busse an die Grenze zu schicken, wahr gemacht: «Wir haben die Tore geöffnet», verkündete er am Samstag. Bis zum Abend reisten nach UNOAngaben bereits mindestens 13000 Flüchtlinge an die türkisch-griechische Grenze. Gestern teilte Innenminister Süleyman Soylu via Twitter mit, dass die Zahl auf über 76 000 gestiegen sei. Am Grenzübergang gingen die griechischen Sicherheitskräfte mit Tränengas und Blendgranaten gegen die Flüchtlinge vor, wie diverse Medien berichteten.
Von einem «Krisenmoment» spricht der Türkeiexperte Kristian Brakel. «Der Türkei geht es in erster Linie darum, Druck aufzubauen, damit sich die Nato militärisch an der Seite der Türkei gegen das syrische Regime engagiert», sagt er. Der Hauptgrund: Fast eine Million Menschen würden an der syrisch-türkischen Grenze ausharren, über 3 Millionen syrische Flüchtlinge seien bereits im Land. «Sollte nochmals eine Million Menschen in die Türkei drängen, wäre das für das Land und für Europa eine grosse Herausforderung.»
Um Griechenland zu entlasten und ein Zeichen zu setzen, solle die Schweiz Menschen aufnehmen und ihre Asylverfahren in der Schweiz durchführen, fordert SP-Nationalrat Fabian Molina. «Eine Zahl von 5000 wäre realistisch, zumal die Bundeszentren nicht ausgelastet sind.»
SVP-Nationalrat Gregor Rutz sieht hingegen nicht die Schweiz in der Pflicht, sondern die EU. «Die EU muss jetzt Druck auf Erdogan machen, damit er die Flüchtlinge im Land behält.» Zudem solle die Schweiz wieder Grenzkontrollen einführen.