Infektiologe: «Der Exit-Plan ist ein Experiment»
ZÜRICH. Der Infektiologe Huldrych Günthard vom Universitätsspital Zürich analysiert den Exit-Plan des Bundesrats.
Herr Günthard, der Lockdown wird bald gelockert – müssen wir mit erneut explodierenden Neuansteckungen rechnen?
Ich glaube nicht, obwohl wir das natürlich erst im Nachhinein wissen. Wir haben aber noch eineinhalb Wochen Zeit, bis der Exit in Kraft tritt, da können wir hoffen, dass die Fallzahlen bis dann noch weiter zurückgehen. Irgendwann muss man den Exit wagen. Ich finde es gut, dass der Bundesrat nun mit einer gestaffelten Lockerung der Massnahmen beginnt.
Liess sich der Bundesrat zu fest von der Wirtschaft drängen?
Ich finde nicht. Ob das Tempo richtig ist, weiss derzeit aber natürlich noch niemand, man muss diesen Exit-Plan als Experiment sehen. Klug finde ich die verschiedenen Etappen, die nachkontrolliert werden können. Und wichtig ist die Message des Bundesrates an die Bevölkerung: Hygiene- und Abstandsregeln müssen weiter eingehalten werden.
Coiffeure gehören zu den Ersten, die wieder öffnen dürfen. Restaurants sind hingegen nicht einmal explizit erwähnt worden.
Coiffeure und Kosmetikbetriebe bieten überschaubare Einszu-eins-Dienstleistungen an. Anders als etwa die Abläufe in
Restaurants.
Wird es möglich sein, das Virus ganz aus der Gesellschaft zu verbannen, indem man mit Massnahmen wie den aktuellen und jenen im Exit-Plan versucht, die Reproduktionsrate des Virus gegen null zu drücken?
Das wird in gewissen Regionen vielleicht möglich sein, aber wir sind nicht allein auf der Welt, und irgendwann müssen ja auch die Grenzen wieder öffnen. Das Virus ist zu leicht übertragbar, als dass wir es ganz eliminieren können. Bis wir eine Impfung oder wirksame Medikamente haben, müssen wir Formen des Zusammenlebens zwischen uns Menschen und dem Virus entwickeln, die Gesundheit und Wirtschaft unter einen Hut bringen. Mit der ersten Phase der Lockerung beginnt der Test, ob das gelingen wird.