Experte kritisiert Behörden für Umgang mit Corona-Demos
AARAU. Die Diskussion über Corona-Massnahmen ist angespannt. Das sagt ein Demokratieexperte über Umgang mit Kritik.
Herr Glaser, wie soll man mit den unterschiedlichen Meinungen umgehen?
Die Betroffenheit gibt das Gefühl, dass die eigene Meinung extrem wichtig sei. Wichtig ist es, sich in die andere Seite hineinzuversetzen. Wenn ich sehe, worunter die andere Person leidet, ist es einfacher, das Argument des Gegenübers zu verstehen.
Die Massnahmen des Bundesrats geniessen in letzter Zeit wieder weniger Unterstützung. Welche Rolle spielt der Staat?
Bundesrat und Parlament bilden die Bevölkerung ab und werden durch diese legitimiert. Wenn der Bundesrat aber kein Vertrauen bei der Bevölkerung mehr geniesst, ist das ein schwerwiegendes Problem. Ich denke, wir müssen auch Diskussionen darüber führen, ob wir ein solches System überhaupt wollen oder ob wir den Bundesrat nicht lieber auflösen und ein anderes Regierungssystem aufsetzen wollen.
Leidet die Demokratie unter der andauernden Pandemie?
Ja und nein. Eine Pandemie ist wie eine Kriegssituation und immer schlecht für die Demokratie. Bei der aktuellen Pandemie gibt es zwar Abstriche, doch die demokratischen Mittel funktionieren weiterhin gut. Das zeigt etwa das Referendum gegen das Covid-Gesetz, das während der Pandemie zustande gekommen ist.
Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen erhielten in letzter Zeit vermehrt keine Bewilligungen ...
Die Behörden machen es sich so viel zu einfach und zeigen eine gewisse Unprofessionalität. Sie sollten neutral sein und keine Vorurteile gegenüber den Demonstranten zeigen, denn so etwas ist für eine gesunde Demokratie schädlich.
Was braucht es, damit die Demokratie in der Schweiz diese Zeit gesund übersteht?
Bundesrat Maurer hat bereits kritisiert, dass man nicht mehr alles sagen dürfe, ohne direkt verurteilt zu werden. Wir brauchen jetzt Vorbilder, die zeigen, dass man unterschiedliche Meinungen aushalten und akzeptieren kann. Massnahmenkritiker müssen akzeptieren, dass man nicht mit dem Kopf durch die Wand kann, und Massnahmenbefürworter dürfen die andere Seite nicht diffamieren.
«Wichtig ist, sich in die andere Seite hineinzuversetzen.»