«Wir gelten international wieder als Profiteure»
ZÜRICH. Bruno Lezzi kennt den Nachrichtendienst und Bern aus dem Effeff. In seinem neuen Buch geht er streng mit den Behörden ins Gericht.
Herr Lezzi, Sie machen beim Krisenmanagement des Bundes neben Überforderung auch Kommunikationsunfähigkeit aus. Bestätigen Sie die aktuellen Corona-Leaks?
Ja. Anfänglich liess die Sache mich recht kalt. Je länger ich mich aber damit beschäftigte, desto hellhöriger wurde ich. Das fein gesponnene Informationsnetz zwischen dem Chef des Innendepartements und dem CEO von Ringier liegt nämlich auf einer anderen Ebene als die gelegentliche Bedienung von Journalisten durch die Politik. Und als ehemaliger enger
Mitarbeiter von Generalstabsund Nachrichtenchefs in Krisenlagen kann ich mir nur schwer vorstellen, dass der jetzige Bundespräsident und sein Kommunikationschef während der Pandemie nicht regelmässig und im Detail über die Informationslage gesprochen haben.
Sie gehen mit Berns Aussenund Sicherheitspolitik ins Gericht: Seit dem Angriff auf die Ukraine sei «die behagliche Selbstzufriedenheit einer ziellosen Aufgeregtheit gewichen». Es stimmt schon: Einst waren wir überall aktiv, wenn auch, international gesehen, auf kleiner Flamme. Doch immer wenn es heikel wurde, war man sehr vorsichtig. Jetzt hat sich der Kurs geändert. Die Neutralität ist wieder zum Stein des Anstosses geworden. Wir gelten international wieder als Profiteure und Trittbrettfahrer. Jetzt wird es schwierig. Und zwar aus folgendem Grund.
Bitte.
Wir könnten uns jederzeit von der Neutralitätsvereinbarung von 1907 verabschieden. So wie es Schweden und Finnland getan haben. Doch in der DNA der Schweizer Bevölkerung ist die Neutralität in allen Facetten stark verwurzelt. Mittlerweile aber gehen die Auffassungen von Neutralität so stark auseinander, dass es nicht mehr aufgeht. Das macht uns zu schaffen. Die Behaglichkeit ist weg. Wo stehen Sie selbst in der Neutralitätsdiskussion? Zurzeit auf wenig festem Boden.
Ich weiss nur, dass Rufe nach Lockerungen der Kriegsmaterialgesetzgebung fruchtlos sind. Auch eine Kooperation mit der Nato, die einen wirklichen Sicherheitsgewinn brächte, ist neutralitätsrechtlich nicht möglich. Wir kommen nicht weiter mit juristischen Schlaumeiereien, sondern müssen die Thematik auf den Tisch legen und offen diskutieren.