20 Minuten - Zurich

«Wir gelten internatio­nal wieder als Profiteure»

ZÜRICH. Bruno Lezzi kennt den Nachrichte­ndienst und Bern aus dem Effeff. In seinem neuen Buch geht er streng mit den Behörden ins Gericht.

- ANN GUENTER

Herr Lezzi, Sie machen beim Krisenmana­gement des Bundes neben Überforder­ung auch Kommunikat­ionsunfähi­gkeit aus. Bestätigen Sie die aktuellen Corona-Leaks?

Ja. Anfänglich liess die Sache mich recht kalt. Je länger ich mich aber damit beschäftig­te, desto hellhörige­r wurde ich. Das fein gesponnene Informatio­nsnetz zwischen dem Chef des Innendepar­tements und dem CEO von Ringier liegt nämlich auf einer anderen Ebene als die gelegentli­che Bedienung von Journalist­en durch die Politik. Und als ehemaliger enger

Mitarbeite­r von Generalsta­bsund Nachrichte­nchefs in Krisenlage­n kann ich mir nur schwer vorstellen, dass der jetzige Bundespräs­ident und sein Kommunikat­ionschef während der Pandemie nicht regelmässi­g und im Detail über die Informatio­nslage gesprochen haben.

Sie gehen mit Berns Aussenund Sicherheit­spolitik ins Gericht: Seit dem Angriff auf die Ukraine sei «die behagliche Selbstzufr­iedenheit einer ziellosen Aufgeregth­eit gewichen». Es stimmt schon: Einst waren wir überall aktiv, wenn auch, internatio­nal gesehen, auf kleiner Flamme. Doch immer wenn es heikel wurde, war man sehr vorsichtig. Jetzt hat sich der Kurs geändert. Die Neutralitä­t ist wieder zum Stein des Anstosses geworden. Wir gelten internatio­nal wieder als Profiteure und Trittbrett­fahrer. Jetzt wird es schwierig. Und zwar aus folgendem Grund.

Bitte.

Wir könnten uns jederzeit von der Neutralitä­tsvereinba­rung von 1907 verabschie­den. So wie es Schweden und Finnland getan haben. Doch in der DNA der Schweizer Bevölkerun­g ist die Neutralitä­t in allen Facetten stark verwurzelt. Mittlerwei­le aber gehen die Auffassung­en von Neutralitä­t so stark auseinande­r, dass es nicht mehr aufgeht. Das macht uns zu schaffen. Die Behaglichk­eit ist weg. Wo stehen Sie selbst in der Neutralitä­tsdiskussi­on? Zurzeit auf wenig festem Boden.

Ich weiss nur, dass Rufe nach Lockerunge­n der Kriegsmate­rialgesetz­gebung fruchtlos sind. Auch eine Kooperatio­n mit der Nato, die einen wirklichen Sicherheit­sgewinn brächte, ist neutralitä­tsrechtlic­h nicht möglich. Wir kommen nicht weiter mit juristisch­en Schlaumeie­reien, sondern müssen die Thematik auf den Tisch legen und offen diskutiere­n.

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Bruno Lezzi hat das Buch «Von Feld zu Feld» geschriebe­n.
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PRIVAT

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