Tote und «Drang nach Rache» im Nahostkonflikt – 3. Intifada droht
JERUSALEM. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist so explosiv wie lange nicht. Beobachter warnen gar vor einer dritten Intifada.
Die Gewaltausbrüche der vergangenen Tage und Monate haben den seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Israel und Palästina eskalieren lassen. Hier ein Überblick.
■ Was ist passiert? Vergangene Woche erschossen israelische Soldaten bei einem Anti-Terror-Einsatz in Jenin im Westjordanland zehn Palästinenser: Man habe eine «tickende Zeitbombe» entschärfen müssen. Daraufhin feuerten militante Gruppen aus dem Gazastreifen mindestens fünf Raketen auf Israel ab. Nur Stunden später tötete ein palästinensischer Attentäter in Jerusalem am Holocaust-Gedenktag sieben Menschen vor einer Synagoge. ■ Heftigere Konfrontationen Seit vergangenem Jahr hat sich die Art und Weise der Konfrontation verändert: Junge Milizionäre
greifen nun die israelischen Truppen mit automatischen Waffen an, immer öfter gibt es längere Gefechte mit Handfeuerwaffen. Israels Armee setzt Raketenwerfer ein.
■ Reaktionen auf die Eskalation Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erklärte zwar, Israel sei nicht an einer weiteren Eskalation interessiert. Gleichzeitig kündigte er eine erhöhte Armeeund Polizeipräsenz in Jerusalem und im Westjordanland sowie Massnahmen gegen «Familien von Terroristen» an. Vor allem will Netanyahus Regierung den Ausbau jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten vorantreiben – was völkerrechtlich illegal ist. Die palästinensische Autonomiebehörde dagegen macht für die neu aufgeflammte Gewalt der letzten Tage allein Israel verantwortlich. Dazu strich Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas die Sicherheitszusammenarbeit der Palästinenser mit Israel.
■ Eine Intifada?
Angesichts dieser Sicherheitskrise müsste Netanyahu «aus Erfahrung wissen, was nun zu tun ist: ie Lage beruhigen, deeskalieren, für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen», schreibt die NZZ. «Doch die Beschlüsse des Sicherheitskabinetts verheissen nichts Gutes.» Einige der Entscheide dürften dafür sorgen, dass sich die Spirale der Gewalt weiterdreht, angetrieben vom «lodernden Drang nach Rache auf beiden Seiten». Die spanische «La Vanguardia» schreibt: Dass die jüdischen Siedlungen im Westjordanland ausgeweitet und dass neben den in der Regel schon bewaffneten Siedlern weitere Tausende Waffengenehmigungen erteilt werden sollen, erhöhe die Gefahr einer neuen Intifada. Die wenigsten Beobachter rechnen mit einer Entspannung, denn es fehlt jede Friedensperspektive und die Aussicht auf eine 2-Staaten-Lösung hat sich zerschlagen.