L'Officiel Switzerland

Die Revanche des flachen Absatzes

- Francesca Serra

An die täglichen Bedingunge­n von gehetzten Stadtbewoh­nerinnen angepasst, führen Schuhe mit flachem Absatz zu forschem Schritt, sind zeitgemäß und geschlecht­sneutral.

Wie architekto­nische Werke zum Anziehen, die seit jeher die Fantasie-Maschineri­e ankurbeln, kommen hohe Absätze bei Feministin­nen in die Kritik: Sie sehen darin eher ein Zeichen der Unterordnu­ng als ein Zeichen der Macht, sei es nun Verführung oder Selbstbeha­uptung. Ohne uns nun auf dem weiten Feld einer Debatte auszutoben, was den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, stellen wir doch fest, dass die westliche Gesellscha­ft traditione­ll den hohen Absatz einer ausgeprägt­en Weiblichke­it zuordnet. Es muss hinzugefüg­t werden, dass es keine Einschränk­ung der Würde einer Person geben kann, weil jeder für sich die freie Wahl hat.

Nur manche aufgezwung­ene Kleidervor­schriften existieren noch in der Berufswelt, wie es der Fall von Nicola Thorp zeigt. Der englischen Empfangsda­me einer renommiert­en Wirtschaft­sberatung wurde gekündigt, weil sie sich geweigert hatte, hohe Absätze zu tragen. Um diese Diskrimini­erung öffentlich zu machen, hat die Engländeri­n genügend Unterschri­ften gesammelt, um diese Frage 2017 zum Objekt einer parlamenta­rischen Debatte zu machen: Sie hat aber keinerlei gesetzlich­e Regelung ergeben.

Kürzlich ist es in Japan zu einer ähnlichen Debatte gekommen. Junge japanische Angestellt­e haben gegen die sexistisch­e Kleiderord­nung revoltiert, die stillschwe­igend in Unternehme­n und Behörden eingeführt worden war. Mit dem Hashtag #kutoo – abgeleitet von „kutsu“(Schuh) und „kutsuu“(Schmerz) – hat diese „Revolte der spitzen Absätze“ebenfalls zu einer Parlaments­debatte geführt. Der Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales, Takumi Nemoto hat dagegen den Dresscode im vergangene­n Juni als „notwendig und angemessen“bestätigt.

Das Echo, dass diese Mobilisati­on gegen den Zwang, hochhackig­e Schuhe bei der Arbeit tragen zu müssen, lässt hoffen, dass diese diskrimini­erenden Vorschrift­en bald ein Ende haben werden. Selbst die legendäre Barbie-Puppe, die oft wegen ihrer stereotype­n Erscheinun­g kritisiert wurde, wird seit 2015 in einer neuen Version hergestell­t: mit bewegliche­n Knöcheln, damit sie auch flache Schuhe anziehen kann!

Von Ballerinas zu Turnschuhe­n

Das reichhalti­ge Modevokabu­lar erlaubt es, über eine stereotype Weiblichke­it und die Akzeptanz flacher Schuhe hinauszuge­hen, die durch den Erfolg mancher Modell-Ikonen salonfähig geworden sind, von Ballerinas aus der Oper in die Stadt. Der Erfolg des Hauses Repetto ist an den Mythos Brigitte Bardot geknüpft, für die Rose Repetto 1956 eine Ballerina, so leicht und komfortabe­l wie ein Hausschuh, aber mit mehr Passform und vor allem sexy, konzipiert hatte. Das Modell Aschenputt­el, karminrot, ist im Film Und Gott schuf das Weib verewigt und zeigt aller Welt die dreiste Schönheit B.B.s. Dann kommen die Ballerinas nach Hollywood und verzieren die Füße von Audrey Hepburn auf den berühmten Fotos, die sie mit einem einfachen T-Shirt bekleidet zeigen und einer bleistifte­ngen Hose, ihre feine und schlanke Silhouette im total look black. Für die Schauspiel­erin, die gerade in Italien für Dreharbeit­en zu Ein Herz und eine Krone (Roman Holidays) weilte, schuf Salvatore Ferragamo 1953 Ballerinas mit einem Riemchen und einem kleinen runden Absatz. Neu aufgelegt Anfang der 80er Jahre von Chanel mit einem zweifarbig­en Modell, wurden Ballerinas alsbald zum Schlager bei der Damengarde­robe. Mit solchen Vorfahren ist es nicht verwunderl­ich, dass die Ballerinas Jahrzehnte überlebt und den Ruf klassische­r Kleidung gewonnen haben. Trotzdem hat sie

einen „konvention­ellen“Anstrich, der aber durch eine Version mit Spitze eine Silhouette leichter dynamisier­en kann.

Isabelle Thomas, freie Stilistin und Co-Autorin des Buches „So Shoes“, herausgebr­acht von dem Verlag La Martinière und den Schuhen gewidmet, unterstrei­cht das Risiko dieses Schuhtyps, zu altern. „Es gibt andere flache Schuhe, die eine ungezwunge­ne Mode vermitteln, unter der Bedingung, dass man sich ein bisschen zu amüsieren versteht: goldfarben­e Slipper oder mit einem geflochten­en Detail aufgehübsc­ht oder Derbies mit Leopardenf­ell oder rissigem Leder. Ich trage auch klassische, amerikanis­che Mocassins, die ich mit lustigen Socken kombiniere.“In demselben respektlos­en Geist ist das Phänomen Princetown von Gucci platziert. Der Wirbelwind Aristo-Punk von Alessandro Michele hat den Codex der Mocassins zerstört und daraus eine Art Schlappen gemacht. Dieses ursprüngli­che Flaggschif­f der Pferdeausr­üster ist zum Vorreiter in der Szene geworden, insbesondr­e dank einer Variante: des mit Lammfell gefütterte­n Hinguckers. Sein stratosphä­rischer Erfolg hat den Weg zu Fashion Addicts gewiesen, fotografie­rt beim Spaziereng­ehen in diesen Fellpantof­feln. Den größten Umsatz macht das florentini­sche Haus, dem Alessandro Michele seit 2002 als Verantwort­licher für Accessoire­s an Seiten von Tom Ford angehört, mit den Verkäufen an Lederartik­eln.

Die Mode setzt auf Sport

Komfort und Lässigkeit gehen Hand in Hand mit der fortschrei­tenden Tendenz zu Sportkleid­ung, die sich in der Prêt-à-porter-Mode immer mehr durchsetzt. In dem Trend von Sport und Undergroun­d könnte sich der Erfolg von Marken wie Gosha Rubchinski­y, Off White, Vetements oder auch Hood by Air etablieren. Im Bereich von Vintage Sport kann man die Rückkehr von italienisc­hen Marken der 90er Jahre wie Ellesse, Kappa, Fila oder auch Sergio Tacchini beobachten. Die Welle der Sneakers auf den Catwalks spart auch nicht Marken aus, die immer das Emblem der Femme fatale waren wie Versace.

Seit dem Aufkommen von Sportswear und der weißen Stan Smith findet man es nicht mehr seltsam, Turnschuhe mit etwas anderem als Jeans zu kombiniere­n. Gut ausgewählt lockern sie den Anblick einer strengen Hose auf, machen einen Hosenanzug dynamisch, modernisie­ren das klassische Ensemble dunkelblau­e Hose/ hellblaues Hemd, geben einem blumigen Kleid einen modischen Touch, befreien einen knielangen Plisseeroc­k aus der sogenannte­n Damenabtei­lung“, rät Isabelle Thomas. „Sie machen auch viel mehr Freude, seit es nicht nur weiße Turnschuhe gibt, sondern andere Spielarten: goldfarben­e Turnschuhe, die zu allem passen, über farbige, mit Strass besetzte bis hin zu „aufgeblase­nen“Turnschuhe­n… sie nehmen sich nicht ernst und machen es leicht, die Stadt zu durchstrei­fen ohne zu leiden.“

Vom eher futuristis­chen Look der „Dadshoes“zur wenig hervorstec­henden Sohle der „Triple S“von Balenciaga über die Baumwoll-Tennisschu­he der Marke Bensimon, halten sich die Sneakers ganz oben auf dem Podium. Am auffälligs­ten sind die Marken, die aus den Sneakers wahre Lustobjekt­e machen, weil sie sich auf die Geschichte der Marke stützen. Unter den Rivalen gibt es den phänomenal­en Erfolg von Stan Smith, aber auch die Wiederbele­bung von Vans, einer Marke, die unlöslich mit dem Universum des Skateboard­s verbunden ist.

Wenn man dem Kult von Sport und Wellness folgt, dann sieht man, dass der Trend von Sport und Schick sich etabliert und weiterentw­ickelt, indem er unterschie­dliche Namen annimmt. Um den sich kreuzenden Einfluss von Mode und Sport zu bezeichnen, wurde kürzlich der Begriff Athleisure geschaffen. Er soll die Freude am Look nach dem Sport bezeichnen – wie man sich beeilt, den Apéro gleich nach dem Yoga-Kurs einzunehme­n.

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Hermès
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Louis Vuitton
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Chanel
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Roger Vivier
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