Die Revanche des flachen Absatzes
An die täglichen Bedingungen von gehetzten Stadtbewohnerinnen angepasst, führen Schuhe mit flachem Absatz zu forschem Schritt, sind zeitgemäß und geschlechtsneutral.
Wie architektonische Werke zum Anziehen, die seit jeher die Fantasie-Maschinerie ankurbeln, kommen hohe Absätze bei Feministinnen in die Kritik: Sie sehen darin eher ein Zeichen der Unterordnung als ein Zeichen der Macht, sei es nun Verführung oder Selbstbehauptung. Ohne uns nun auf dem weiten Feld einer Debatte auszutoben, was den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, stellen wir doch fest, dass die westliche Gesellschaft traditionell den hohen Absatz einer ausgeprägten Weiblichkeit zuordnet. Es muss hinzugefügt werden, dass es keine Einschränkung der Würde einer Person geben kann, weil jeder für sich die freie Wahl hat.
Nur manche aufgezwungene Kleidervorschriften existieren noch in der Berufswelt, wie es der Fall von Nicola Thorp zeigt. Der englischen Empfangsdame einer renommierten Wirtschaftsberatung wurde gekündigt, weil sie sich geweigert hatte, hohe Absätze zu tragen. Um diese Diskriminierung öffentlich zu machen, hat die Engländerin genügend Unterschriften gesammelt, um diese Frage 2017 zum Objekt einer parlamentarischen Debatte zu machen: Sie hat aber keinerlei gesetzliche Regelung ergeben.
Kürzlich ist es in Japan zu einer ähnlichen Debatte gekommen. Junge japanische Angestellte haben gegen die sexistische Kleiderordnung revoltiert, die stillschweigend in Unternehmen und Behörden eingeführt worden war. Mit dem Hashtag #kutoo – abgeleitet von „kutsu“(Schuh) und „kutsuu“(Schmerz) – hat diese „Revolte der spitzen Absätze“ebenfalls zu einer Parlamentsdebatte geführt. Der Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales, Takumi Nemoto hat dagegen den Dresscode im vergangenen Juni als „notwendig und angemessen“bestätigt.
Das Echo, dass diese Mobilisation gegen den Zwang, hochhackige Schuhe bei der Arbeit tragen zu müssen, lässt hoffen, dass diese diskriminierenden Vorschriften bald ein Ende haben werden. Selbst die legendäre Barbie-Puppe, die oft wegen ihrer stereotypen Erscheinung kritisiert wurde, wird seit 2015 in einer neuen Version hergestellt: mit beweglichen Knöcheln, damit sie auch flache Schuhe anziehen kann!
Von Ballerinas zu Turnschuhen
Das reichhaltige Modevokabular erlaubt es, über eine stereotype Weiblichkeit und die Akzeptanz flacher Schuhe hinauszugehen, die durch den Erfolg mancher Modell-Ikonen salonfähig geworden sind, von Ballerinas aus der Oper in die Stadt. Der Erfolg des Hauses Repetto ist an den Mythos Brigitte Bardot geknüpft, für die Rose Repetto 1956 eine Ballerina, so leicht und komfortabel wie ein Hausschuh, aber mit mehr Passform und vor allem sexy, konzipiert hatte. Das Modell Aschenputtel, karminrot, ist im Film Und Gott schuf das Weib verewigt und zeigt aller Welt die dreiste Schönheit B.B.s. Dann kommen die Ballerinas nach Hollywood und verzieren die Füße von Audrey Hepburn auf den berühmten Fotos, die sie mit einem einfachen T-Shirt bekleidet zeigen und einer bleistiftengen Hose, ihre feine und schlanke Silhouette im total look black. Für die Schauspielerin, die gerade in Italien für Dreharbeiten zu Ein Herz und eine Krone (Roman Holidays) weilte, schuf Salvatore Ferragamo 1953 Ballerinas mit einem Riemchen und einem kleinen runden Absatz. Neu aufgelegt Anfang der 80er Jahre von Chanel mit einem zweifarbigen Modell, wurden Ballerinas alsbald zum Schlager bei der Damengarderobe. Mit solchen Vorfahren ist es nicht verwunderlich, dass die Ballerinas Jahrzehnte überlebt und den Ruf klassischer Kleidung gewonnen haben. Trotzdem hat sie
einen „konventionellen“Anstrich, der aber durch eine Version mit Spitze eine Silhouette leichter dynamisieren kann.
Isabelle Thomas, freie Stilistin und Co-Autorin des Buches „So Shoes“, herausgebracht von dem Verlag La Martinière und den Schuhen gewidmet, unterstreicht das Risiko dieses Schuhtyps, zu altern. „Es gibt andere flache Schuhe, die eine ungezwungene Mode vermitteln, unter der Bedingung, dass man sich ein bisschen zu amüsieren versteht: goldfarbene Slipper oder mit einem geflochtenen Detail aufgehübscht oder Derbies mit Leopardenfell oder rissigem Leder. Ich trage auch klassische, amerikanische Mocassins, die ich mit lustigen Socken kombiniere.“In demselben respektlosen Geist ist das Phänomen Princetown von Gucci platziert. Der Wirbelwind Aristo-Punk von Alessandro Michele hat den Codex der Mocassins zerstört und daraus eine Art Schlappen gemacht. Dieses ursprüngliche Flaggschiff der Pferdeausrüster ist zum Vorreiter in der Szene geworden, insbesondre dank einer Variante: des mit Lammfell gefütterten Hinguckers. Sein stratosphärischer Erfolg hat den Weg zu Fashion Addicts gewiesen, fotografiert beim Spazierengehen in diesen Fellpantoffeln. Den größten Umsatz macht das florentinische Haus, dem Alessandro Michele seit 2002 als Verantwortlicher für Accessoires an Seiten von Tom Ford angehört, mit den Verkäufen an Lederartikeln.
Die Mode setzt auf Sport
Komfort und Lässigkeit gehen Hand in Hand mit der fortschreitenden Tendenz zu Sportkleidung, die sich in der Prêt-à-porter-Mode immer mehr durchsetzt. In dem Trend von Sport und Underground könnte sich der Erfolg von Marken wie Gosha Rubchinskiy, Off White, Vetements oder auch Hood by Air etablieren. Im Bereich von Vintage Sport kann man die Rückkehr von italienischen Marken der 90er Jahre wie Ellesse, Kappa, Fila oder auch Sergio Tacchini beobachten. Die Welle der Sneakers auf den Catwalks spart auch nicht Marken aus, die immer das Emblem der Femme fatale waren wie Versace.
Seit dem Aufkommen von Sportswear und der weißen Stan Smith findet man es nicht mehr seltsam, Turnschuhe mit etwas anderem als Jeans zu kombinieren. Gut ausgewählt lockern sie den Anblick einer strengen Hose auf, machen einen Hosenanzug dynamisch, modernisieren das klassische Ensemble dunkelblaue Hose/ hellblaues Hemd, geben einem blumigen Kleid einen modischen Touch, befreien einen knielangen Plisseerock aus der sogenannten Damenabteilung“, rät Isabelle Thomas. „Sie machen auch viel mehr Freude, seit es nicht nur weiße Turnschuhe gibt, sondern andere Spielarten: goldfarbene Turnschuhe, die zu allem passen, über farbige, mit Strass besetzte bis hin zu „aufgeblasenen“Turnschuhen… sie nehmen sich nicht ernst und machen es leicht, die Stadt zu durchstreifen ohne zu leiden.“
Vom eher futuristischen Look der „Dadshoes“zur wenig hervorstechenden Sohle der „Triple S“von Balenciaga über die Baumwoll-Tennisschuhe der Marke Bensimon, halten sich die Sneakers ganz oben auf dem Podium. Am auffälligsten sind die Marken, die aus den Sneakers wahre Lustobjekte machen, weil sie sich auf die Geschichte der Marke stützen. Unter den Rivalen gibt es den phänomenalen Erfolg von Stan Smith, aber auch die Wiederbelebung von Vans, einer Marke, die unlöslich mit dem Universum des Skateboards verbunden ist.
Wenn man dem Kult von Sport und Wellness folgt, dann sieht man, dass der Trend von Sport und Schick sich etabliert und weiterentwickelt, indem er unterschiedliche Namen annimmt. Um den sich kreuzenden Einfluss von Mode und Sport zu bezeichnen, wurde kürzlich der Begriff Athleisure geschaffen. Er soll die Freude am Look nach dem Sport bezeichnen – wie man sich beeilt, den Apéro gleich nach dem Yoga-Kurs einzunehmen.