LETTISCHE Seele
Moderne Küchenchefs verpassen Riga mit hausgemachten Köstlichkeiten und individuellen Weinen ein neues Gesicht. Michael Raffael macht sich auf in die Ostsee-Metropole, in deren Küchen alte Traditionen und Bräuche kreativ interpretiert werden
Die Leute erzählen, Riga sei der schönste Ort der Welt“, schrieb Richard Wagner einst und fügte hinzu: „Vor allem, wenn es darum geht, Geld zu verdienen.“Tatsächlich war die lettische Hauptstadt zu Lebzeiten des Komponisten, um 1837, eine äußerst wohlhabende und aufstrebende Metropole. Als Wagner sich hier niederließ, war sie sogar die wichtigste Hafenstadt im gesamten Russischen Reich. Doch die Stadt machte auch schwere Zeiten durch. Erst nachdem die Sowjetunion zusammengebrochen war und Lettland schließlich unabhängig wurde, meldete sich die Ostsee-Metropole mit neu gewonnener Vitalität zurück und wurde 2014 sogar als europäische Kulturhauptstadt gefeiert.
Die Menschen in Riga lieben ihre Stadt. Fast ein Drittel der lettischen Landesbevölkerung lebt in der Hauptstadt. Nicht nur der Charme der Metropole zieht sie an, auch ihre Lage hat ihren ganz besonderen Reiz: dicht bewaldete Hügel, tiefblaue Seen und weiße Sandstrände entlang der Ostseeküste rahmen Riga ein. Die Letten selbst leben im Einklang mit der Natur und haben auch ihre alten Mythen und heidnischen Bräuche nicht vergessen.
Ein grüner Kern aus mehreren Parks trennt die Altstadt im Osten der Düna von einer der schönsten Straßen der Stadt, der Alberta iela: eine Jugendstilstraße wie aus dem Bilderbuch. Prunkvolle, historische Häuser reihen sich hier aneinander, und auch StarArchitekt Mikhail Eisenstein hat seine Spuren hinterlassen. Die extravaganten Art-Nouveau-Bauwerke sind ein Relikt aus der Zeit, als Riga noch eine Welthandelsmetropole war, und ihre Eleganz steht im starken Kontrast zu den nackten Betonblöcken der SowjetÄra. Vor allem die Altstadt ist ein herrlicher Ort, an dem immer irgendwo Musik zu hören ist. Am Freiheitsdenkmal etwa, das einst gebaut wurde, um die Helden des lettischen Unabhängigkeitskrieges von 1918 bis 1920 zu ehren, spielt ein Straßenmusiker auf seinem Akkordeon. Vor der gotischen Petrikirche legt sich ein Trio von Jazzmusikern ins Zeug, um die Touristen zu unterhalten. Beim Pulverturm, ein Überbleibsel von Rigas einstiger Befestigungsanlage, musiziert eine Gruppe von Folk-Sängern, die aussehen, als seien sie Peter Bruegels berühmtem Gemälde Die Bauernhochzeit entsprungen.
Rigas Hauptmarkt wurde während der 1920er-Jahre in den ehemaligen Zeppelin-Hangars errichtet und gilt als einer der größten Märkte in ganz Europa. In der einen Ecke findet man Fleisch, in einem anderen Bereich Milchprodukte und an anderer Stelle saure Gurken. Maris Astics, Chefkoch im Dome, einem der besten Hotels Rigas, kommt regelmäßig hierher, um Fisch zu kaufen. „Ich will nur regionale Ware. Ich bin heute hier, werde morgen und auch übermorgen hier sein, weil ich hier den besten, frischen Fisch aus dem Meer, den umliegenden Seen und dem Fluss bekomme.“In der Tat findet man unter den gewölbten Hallendächern unter anderem Kabeljau aus der Ostsee, Seesaibling, Wels aus der Düna, Stör, Zander, Aal und eingelegte oder getrocknete Heringe. Letztere nehmen die Leute gern als Snack mit in