Reiseinformationen
Siena heißt sowohl eine Provinz als auch eine Stadt in der Toskana, die sich durch ihre mittelalterlichen Backsteinhäuser auszeichnet und international für ihr Pferderennen Palio di Siena bekannt ist. Die Währung ist der Euro (EUR). Flugzeit von Deutschland nach Pisa: 1,5 Stunden; von hier aus dauert die Zugfahrt nach Siena ebenfalls 1,5 Stunden. Im Oktober liegen die durchschnittlichen Temperaturen zwischen 12 und 19 Grad.
ANREISE
Ryanair bietet Flüge von Frankfurt a.M. nach Pisa an. ryanair.com Eurowings fliegt von Köln und Hamburg aus nach Pisa. eurowings.com Lufthansa bietet Direktflüge aus München, Nürnberg (ab Ende des Jahres) oder Frankfurt a. M. nach Florenz an. lufthansa.de
WEITERE INFORMATIONEN
Terre di Siena ist das offizielle Tourismusbüro der Provinz. Dessen Website bietet neben Vorschlägen für Reiserouten auch zahlreiche Infos zu Kunst und Kultur, Wein und Essen sowie
Spa und Wellness. Outdoor-Fans finden Wegbeschreibungen für Wander- und Fahrradtouren. terresiena.it
REISELEKTÜRE
Das Licht der Toskana von Frances Mayes ist eine Liebeserklärung an Italien und beschreibt Land, Leute und Freundschaft: Drei amerikanische Frauen mieten eine toskanische Villa – Susan verwandelt den Garten in eine Oase, Julia wird Meisterin der italienischen Küche, und Camille überkommt bei all den neuen und überwältigenden Eindrücken das Bedürfnis, endlich wieder zu malen. Die Schriftstellerin Kit begleitet die drei Freundinnen auf ihrem Weg. Dumont, 16 Euro
Zwei Hunde springen kläffend neben dem Traktor hin und her, den Mario Machetti langsam über den staubigen Weg steuert. Links und rechts davon wachsen Weinreben. „Das ist Bart, und das hier ist Lola“, ruft er vom Trecker aus und zeigt auf seine treuen Gefährten. „Lola habe ich nach meiner ersten Freundin benannt.“Er grinst breit. Machettis Hof liegt in der Provinz Siena und bietet alles, was man sich beim Gedanken an die Toskana vorstellt: sanfte grüne Hügel, Häuser aus Naturstein und Terrakotta sowie freie Sicht auf die umliegenden Dörfer mit roten Dächern und Kirchtürmen.
Nur in weiter Ferne am Horizont wird aus der grünen Landschaft ein Meer aus Rot-, Orange- und Brauntönen. Es sind die mittelalterlichen Ziegelgebäude der Stadt Siena, die man selbst hier, etwa 30 Autominuten entfernt, unscharf erkennen kann. Deutlich ragt dagegen der 102 Meter hohe Turm Torre del Mangia hervor.
Während ich meinen Blick noch schweifen lasse, pflückt Machetti Erdbeeren aus einer Badewanne, die er zum Pflanztrog umfunktioniert hat. Für manch einen mag es auf seinem Hof unordentlich zugehen, doch er nutzt jeden Zentimeter für Zucht und Anbau. Aufgeplusterte Hühner spazieren an uns vorbei, als er mir erklärt, wo was wächst: Knoblauch, Tomaten, Wurzelgemüse, Grünzeug. Ich kann kaum erkennen, wo ein Beet aufhört und das nächste anfängt. „Wir haben hier alles, was zum Leben wichtig ist“, sagt er. „Wein, Oliven, Fleisch und Gemüse – mehr braucht man nicht, um glücklich zu sein.“
Gleich neben dem Gemüse blüht sein Olivenhain, hier und da liegen alte Werkzeuge und Arbeitsgeräte – einige davon sind museumsreif. „Mein Vater hat den Pflug noch mit Kühen gezogen“, erklärt er. „Von einigen seiner Geräte kann ich mich einfach nicht trennen.“Wir spazieren über das riesige Grundstück und erreichen seine Weinreben. Auf etwa zwei seiner
Mario Machettis Hof liegt in der Provinz Siena und bietet alles, was man sich beim Gedanken an die Toskana vorstellt: sanfte grüne Hügel, Häuser aus Naturstein und Terrakotta sowie einen freien Blick
Mario hat den Tisch mit Produkten aus eigenem Anbau gedeckt: vom süffigen Wein über frischen Salat, mit selbst gemachtem Olivenöl zubereitete
Bruschetta bis zu hauchdünnem Carpaccio
insgesamt 24 Hektar Land wächst die Rotweinsorte Sangiovese. Plötzlich stehen wir vor einer Herde Rinder. Er streichelt eines der Tiere und sagt stolz: „Sind sie nicht schön?“
Es sind Chianina-Rinder, 20 Kühe, 20 Kälber und ein Bulle – er heißt Warrior. „Das Fleischaroma ist sehr intensiv, weil sie so mager sind. Kein Gramm Fett ist an denen dran, das gibt puren Geschmack. Ich persönlich mag die Rippen am liebsten.“
Wir machen kehrt – Lola folgt uns auf Schritt und Tritt – und gehen gemütlich zurück zu seinem Bauernhaus, das oben auf dem Hügel liegt. Dort angekommen, stellt mir Mario Gino vor. „Er ist seit vielen Jahren an meiner Seite. Nur zwei Leute arbeiten hier für mich – Gino und Antonella“, sagt er. „Antonella hilft mir in der Küche, lediglich der Grill ist mein Hoheitsgebiet.“Das Restaurant, das zu seinem Hof gehört, ist kein Restaurant im eigentlichen Sinne. Es gibt weder Speisekarten noch Öffnungszeiten. Als Gast meldet man sich telefonisch bei Antonella, Mario oder seiner Frau Simonetta, dann kocht Mario für etwa 50 Euro pro Person ein Festmahl. Am Tisch schenkt Antonella hausgemachten Rotwein ein. Den für Mario gießt sie in einen Bierhumpen. Er kann sich vor Lachen kaum halten, als er mich staunen sieht. Er prostet mir mit dem Krug zu.
Mario hat den Tisch mit Produkten aus eigenem Anbau gedeckt: vom süffigen Wein über frischen Salat, Bruschetta, zubereitet mit selbst gemachtem Olivenöl und grob gehackten Tomaten, und hauchdünnem Carpaccio (rohes Rindfleisch).
Dann weht mir der Duft der Holzkohle um die Nase, und im nächsten Moment zischt auch schon das gigantische Steak auf dem Grill. Als es fertig ist, schneidet er das auf den Punkt gebratene und karamellisierte Fleisch in dicke Scheiben. Es ist noch köstlicher, als ich erwartet habe. Mager und aromatisch, aber nicht aufdringlich. Ein wunderbarer Abschluss meines Besuchs.
Als ich am nächsten Tag Alessandro Chiesa von Mario Machettis Rindern erzähle, nickt er zustimmend. Der Koch stammt gebürtig aus Siena und ist nach Stationen in Italiens Metropolen wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Dort kocht er jetzt
Essen
Die Preise verstehen sich, sofern nicht anders angegeben, pro Person für ein Drei-Gänge-Menü inklusive einem Glas Wein
Azienda Agricola Montechariano Rustikal und bodenständig geht es auf diesem Hof auf einer Bergkuppe zu. Neugierige müssen sich vorher telefonisch ankündigen, werden dafür aber mit saftigem Steak, selbst gekeltertem Wein und Traditionsgerichten von Besitzer Mario belohnt. Etwa 53 Euro. Strada Monte Chiaro 35, +39-0577-363442
La Bottega del 30 Für Gourmets ein absolutes Muss ist dieses MichelinStern-gekrönte Restaurant. Die Gäste staunen über die feinen Teller, die Aromatik der Gerichte und die zig Flaschen im Weinkeller. Degustationsmenü etwa 112 Euro. Via Santa Caterina 2, Villa a Sesta, Castelnuovo Berardenga, +39-0577-359226, labottegadel30.it
La Voliera Koch Alessandro Chiesa kennt sich mit regionalen Produkten bestens aus. Sein Porchetta ist zum Niederknien. Etwa 76 Euro.
Strada Statale 223, +39-0577-813000, hilton.com
Osteria le Logge Gemütliches Lokal in einer engen Gasse im Zentrum Sienas. Das Ehepaar Gianni und Laura Brunell hat es 1977 eröffnet und serviert seinen (Stamm-)Gästen seitdem Gerichte wie beispielsweise Bucatini mit Wildschweinragout oder Bistecca alla fiorentina. Etwa 54 Euro. Via del Porrione, 33, +39-0577-48013, osterialogge.it
Ristorante Arnolfo Keine halbe Stunde Autofahrt von Siena entfernt werden die Gäste in diesem toskanischen Anwesen mit Zwei-Sterne-Küche verwöhnt. Das Restaurant ist ein Familienbetrieb mit herzlichem Service und Gerichten aus feinsten regionalen Produkten. Etwa 128 Euro. Via XX Settembre, 50, Colle di Val d’Elsa, +39-0577-920549, arnolfo.com Ristorante Croce di Bibbiano Vom Speiseraum aus hat man eine fantastische Sicht auf die Weinberge ringsherum. Der Besitzer ist Winzer und baut die meisten Zutaten für seine köstlichen Gerichte auf seinen eigenen Feldern an. Etwa 47 Euro. Località Bibbiano 1/3, Poggibonsi
Siena, +39-0577-958918, crocedibibbiano.it
Ristorante Particolare di Siena Hier genießt man zeitgenössische Kochkunst innerhalb mittelalterlicher Stadtmauern: Auf der Karte stehen Gerichte wie Tatar vom Chianina-Rind mit Tapioka, Gin und Gurke. Etwa 30 Euro.
Via Baldassarre Peruzzi, 26, +39-339-8275430, particolaredisiena.com
Der Eintopf Pepeso stammt aus einem Töpferdorf. Dort hatte man morgens einen Topf mit Rindfleisch, Rotwein, Zwiebeln und Pfeffer in den Brennofen gestellt. Nach der Arbeit war das Essen fertig
seine Lieblingsgerichte im Restaurant La Voliera, etwa 20 Minuten Autofahrt von Machetti entfernt. „Chianina ist Fleisch von allerbester Qualität. Wenn man gut mit dem Grill umgehen kann, braucht man nur etwas Salz und Rosmarinöl – perfetto“, sagt er.
Auf der Terrasse seines Restaurants unterhalten wir uns über die regionale Küche. Ich genieße dabei eine Vorspeise: Sie ist mit unterschiedlichen Texturen und Farben kunstvoll angerichtet. Neben Pürees, Blüten, Blättern und Tropfen finden sich violette Kartoffeln, weißer Spargel, Zucchiniblüten, Karotten, Tomaten, Pfeffer und sogar Eisenkraut. Hübsch und eine sehr moderne Interpretation der toskanischen Küche. Alessandro Chiesa stimmt zu und bittet mich aber, den nächsten Gang abzuwarten. Und da ist sie dann, die rustikale, bodenständige Küche, die diese Region ausmacht: in Form einer dampfenden Schale Ribollita. Diese Suppe aus Gemüse und altbackenem Brot ist der Inbegriff italienischen Comfort Foods. „Sie schmeckt immer anders. Die Zutaten ändern sich je nach Saison und Region“, erklärt Chiesa. „Es gibt nicht das eine Rezept dafür. Man guckt, was man zu Hause hat und gibt es in einen Topf.“Chiesa selbst wohnt nur wenige Minuten vom La Voliera und dem Hotelkomplex, zu dem es gehört, entfernt. Im
Mittelalter befand sich an dieser Stelle eine Siedlung,
Überreste aus dieser Zeit findet man auch in den umliegenden Dörfern. „Jedes Dorf hat seine eigene Kochtradition“, berichtet Chiesa. „Da wäre beispielsweise Peposo, ein Eintopf, der in einem Töpferdorf entstanden ist. Die Menschen dort hatten Rindfleisch, Zwiebeln, Rotwein und Pfeffer in einen Topf gegeben und morgens in den Brennofen gestellt. Abends haben sie den Topf gegen ihre fertigen Werkstücke ausgetauscht, und das Essen war fertig.“Einige dieser – nennen wir sie Zufallsgerichte – gibt es in der Region immer noch. Doch wohl kaum ein anderes ist bis heute bei den Menschen so beliebt wie Pici, die berühmte, mit der Hand gerollte Pasta, die jetzt als nächster Gang vor mir steht.
Pici sind dicker als Spaghetti und haben genau die richtige Bissfestigkeit. Hier werden sie mit Wildschweinragout serviert, das zuvor in einer Sauce aus
Rotwein, Rosmarin, Wacholder und Salbei gegart wurde. „Wir essen hier immer
noch sehr regional“, sagt Chiesa. „Die aus Siena stammenden Produkte sind aber auch einfach sehr gut.“
Zum krönenden Abschluss meines Besuchs probiere ich einen langsam gegarten Porchetta, einen gerollten Schweinebraten, der so zart ist, dass er mir fast auf der Zunge zergeht.
Andrea Bezzini kennt seine Schweine. Seine Familie züchtet Cinta Senese seit 1800. Die Tiere dieser Rasse, die vor allem rund um Siena gezüchtet wird, haben schwarze Borsten und einen charakteristischen weißen Streifen, der sich über den Nacken, Brustkorb und ein Vorderbein erstreckt. Andrea führt mich kurz durch Haus und Hof im kleinen Dorf Simignano, bevor wir gemeinsam zu den Tieren gehen. Die meisten schnüffeln unbeirrt die Felder ab, einige kommen Andrea Bezzini aber neugierig entgegengetrabt. Auf etwa 420 Hektar Land können sie sich austoben. Sie fressen das ganze Jahr über fast ausschließlich das, was von den umliegenden Bäumen fällt. Aber die Schlauen unter ihnen wissen, dass Andrea ihnen oft zeigt, wo es das beste Futter zu holen gibt.
Auf knapp 100 Hektar wächst ihr Grundnahrungsmittel: Kastanien. Andrea führt sie durch Felder mit wildem Salbei und leuchtenden Butterblumen zu einem Waldgebiet, wo es Kastanien im Überfluss gibt. „Die Schweine fressen saisonal“, sagt er. „Im September gibt es Äpfel und Pfirsiche, im Oktober Kastanien und Eicheln. Das reicht ihnen bis Februar, denn die Blätter, die von den Bäumen fallen, bedecken die Kastanien und Eicheln und halten sie frisch. Die Schweine erschnüffeln sie.“
Ich koste den edlen Cinta-Senese-Schinken in einer Bar in Siena. Die Einheimischen kommen zum Aperitivo, einem Drink und kleinen Häppchen, nach der Arbeit her. Auch für Reisende eine gute Gelegenheit, regionale Delikatessen zu probieren: Wurst- und Fleischprodukte, Tapenaden und köstliche Käsesorten.
Beim Aperitivo erzählt man sich so dies und das, plaudert, lacht und tratscht. Aber zweimal im Jahr gibt es nur ein Thema: den Palio. Das Pferderennen – übrigens eines der härtesten der Welt – ist ein großes Spektakel. Dann verwandeln Trommler, Fahnenschwenker, Reiter in mittelalterlichen
Übernachten
La Bagnaia Das elegante Resort blickt auf eine lange Geschichte zurück. Gäste nutzen in historischem Ambiente den Golfplatz sowie ein OutdoorThermalbad und genießen toskanische Küche im hauseigenen Restaurant La Voliera. DZ ab 105 Euro. Strada Statale, +39-0577-813000, hilton.com
Borgo Scopeto Relais Mit seiner Lage mitten auf einem 485 Hektar großen Grundstück bietet das Hotel vor allem eines: ländliche Ruhe abseits des Stadttrubels. Wer davon irgendwann genug hat, ist mit dem Auto in knapp 20 Minuten wieder in Siena. DZ ab 230 Euro. Strada Comunale 14,
Vagliagli, +39-0577-320001, borgoscopetorelais.it
Campo Regio Relais Im Herzen Sienas, nur wenige Gehminuten vom Duomo, liegt dieses charmante Haus mit Marmorböden und historischen Fresken an den Wänden. Das Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert und bietet Gästen eine kleine Terrasse mit Blick auf den Dom. DZ ab
180 Euro. Via della Sapienza 25, +39-0577-222073, camporegio.com
Castel Monastero Im Castel Monastero, einem restaurierten Mittelalterdorf mit Kloster, ist heute statt Einkehr Genuss angesagt: Bester Wein lagert im Keller, Ruhesuchende genießen das Spa, Foodies machen sich mit Experten auf die Suche nach weißem Trüffel. DZ ab 400 Euro.
Monastero d’Ombrone, +39-0577-570001, castelmonastero.com
Croce di Bibbiano Einige der sieben Apartments aus toskanischen Natursteinen verfügen über einen Pool. Beim Baden blickt man dann in die weite Landschaft. Nettes Extra: Der Besitzer ist Winzer und versorgt seine Gäste mit feinsten Speisen. DZ ab 93 Euro. Località Bibbiano 1/3, Poggibonsi, +39-0577-958918, crocedibibbiano.it
The Grand Hotel Continental Das einzige Fünf-Sterne-Haus der Stadt liegt nur wenige Meter von der Piazza del Campo, entfernt. Allein wegen der Atmosphäre, die dieser Palast aus dem 17. Jahrhundert versprüht, sollten Sie für eine Nacht einchecken. DZ ab 230 Euro. Via Dei Banchi Di Sopra, +39-0577-56011, grandhotelcontinentalsiena.com
Der Aperitivo ist eine gute Gelegenheit, regionale Delikatessen zu probieren: Wurst- und Fleischprodukte, Tapenaden und köstlichen Käse
Uniformen und Tausende Zuschauer die Piazza del Campo in eine Wettkampfarena. Doch das alles ist eine ernste Angelegenheit, denn zehn der 17 Bezirke der Stadt – sie heißen Contrade – treten jeweils mit Pferd und Jockey gegeneinander an. Wer gewinnt, erhält ein buntes Seidenbanner plus Ruhm und Ehre. Einmal im Juli und einmal im August sind die etwa 54000 Einwohner Sienas dann die größten Gegner. „Das Rennen ist alles für uns“, sagt ein Barbesitzer. „Jeder identifiziert sich mit seinem Stadtteil, und der Palio bringt uns alle zusammen – und spaltet uns wieder. Denn in diesen Tagen hassen wir sogar unsere Nachbarn.“Sein Gesicht entspannt sich, er grinst und sagt: „Aber auch nur dann.“
Rivalität auf einer höheren Ebene herrscht auch zwischen Siena und Florenz. Seit Beginn des zweiten Jahrtausends konkurriert das kaisertreue Siena mit dem papsttreuen Florenz – mal wirtschaftlich, mal politisch, mal kulturell. Noch heute besteht eine gewisse Feindseligkeit zwischen den beiden Städten, die aber längst nicht mehr zu tätlichen Auseinandersetzungen führt. Zum Glück, denn Sienas einzige Craft-Beer-Brauerei La Diana hat sich für ihre Produktpalette etwas besonders Ironisches ausgedacht: Die einzelnen Biere sind ausgerechnet nach Figuren aus Dantes „Inferno“benannt. Dante Alighieri, einer der bekanntesten Dichter Italiens und des Mittelalters, war gebürtiger Florentiner, wurde später aber im Zuge politischer Machtkämpfe ins Exil verbannt. „Dante schreibt, es gebe einen mystischen Fluss, der unter Siena hindurchfließe, aber nie zu finden sei“, erklärt Braumeister Francesco Mazzuoli. „Das fanden wir irgendwie passend.“Denn es ist ähnlich schwer, eine nicht existierende Wasserquelle zu finden wie den Italienern Craft Beer zu verkaufen. „Wir haben in Italien einfach keine Bierkultur“, sagt er. „Wir sind das Land des Weins. Wenn hier jemand ein Bier bestellt, ist ihm meistens egal, welches er bekommt. Aber niemand bestellt einfach nur Wein, man ordert Rot-, Weißwein oder Rosé, fragt nach der Traubensorte und lässt sich die Aromen erklären.“
Die Pale Ales – India und American –, die Weizen- und die Belgian-Style-Biere von La Diana haben trotzdem Lokalkolorit. In ihnen steckt wilder Hopfen, der innerhalb der Stadtmauern wächst, und Honig aus der Region. „Der ist süß, aber nicht zu sehr. Und verleiht dem Bier einen Hauch von Eukalyptus“, erklärt Francesco.
Auch mit Lorenzo Rossi, dem legendären Panforte-Bäcker, hat er zusammengearbeitet, um ein festliches Ale zu kreieren. Rossis eigentliches Metier aber ist das Gebäck. Seit 1952 macht er die besten Plätzchen, Backwaren und Kuchen in ganz Siena. Vor 20 Jahren hat er das Geschäft von seinem Vater übernommen und versorgt die Bevölkerung seitdem weiterhin mit Köstlichkeiten wie Ricciarelli und Cantucci. Aber die meisten Menschen kommen, um einen seiner Panfortes zu ergattern. Die saftigen Kuchen werden aus Mehl, Mandeln, kandierten Früchten, Honig, Zucker und Gewürzen gemacht. „Panforte steckt voller Kräuter und Gewürze. Er ist fast schon Medizin“, sagt er und schmunzelt. „Nein, im Ernst, es ist diese besondere Mischung an Zutaten, die ihn ausmacht.“
Und die hat zuweilen auch besondere Wirkung. „Wir hatten einen älteren Kunden um die 80, der jede Woche einen Panforte kaufte. Eines Tages habe ich ihn gefragt, was ihm so gut daran schmecke. Seine Frau wurde ganz rot, und es stellte sich heraus, dass der Panforte für die beiden wie ein Aphrodisiakum war.“Lorenzo lacht. „So ist das eben in Siena“, sagt er. „Wir sind stolz auf unsere Produkte, stehen uns nahe und haben Leidenschaft im Blut.“