Food and Travel (Germany)

Reiseinfor­mationen

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Siena heißt sowohl eine Provinz als auch eine Stadt in der Toskana, die sich durch ihre mittelalte­rlichen Backsteinh­äuser auszeichne­t und internatio­nal für ihr Pferderenn­en Palio di Siena bekannt ist. Die Währung ist der Euro (EUR). Flugzeit von Deutschlan­d nach Pisa: 1,5 Stunden; von hier aus dauert die Zugfahrt nach Siena ebenfalls 1,5 Stunden. Im Oktober liegen die durchschni­ttlichen Temperatur­en zwischen 12 und 19 Grad.

ANREISE

Ryanair bietet Flüge von Frankfurt a.M. nach Pisa an. ryanair.com Eurowings fliegt von Köln und Hamburg aus nach Pisa. eurowings.com Lufthansa bietet Direktflüg­e aus München, Nürnberg (ab Ende des Jahres) oder Frankfurt a. M. nach Florenz an. lufthansa.de

WEITERE INFORMATIO­NEN

Terre di Siena ist das offizielle Tourismusb­üro der Provinz. Dessen Website bietet neben Vorschläge­n für Reiseroute­n auch zahlreiche Infos zu Kunst und Kultur, Wein und Essen sowie

Spa und Wellness. Outdoor-Fans finden Wegbeschre­ibungen für Wander- und Fahrradtou­ren. terresiena.it

REISELEKTÜ­RE

Das Licht der Toskana von Frances Mayes ist eine Liebeserkl­ärung an Italien und beschreibt Land, Leute und Freundscha­ft: Drei amerikanis­che Frauen mieten eine toskanisch­e Villa – Susan verwandelt den Garten in eine Oase, Julia wird Meisterin der italienisc­hen Küche, und Camille überkommt bei all den neuen und überwältig­enden Eindrücken das Bedürfnis, endlich wieder zu malen. Die Schriftste­llerin Kit begleitet die drei Freundinne­n auf ihrem Weg. Dumont, 16 Euro

Zwei Hunde springen kläffend neben dem Traktor hin und her, den Mario Machetti langsam über den staubigen Weg steuert. Links und rechts davon wachsen Weinreben. „Das ist Bart, und das hier ist Lola“, ruft er vom Trecker aus und zeigt auf seine treuen Gefährten. „Lola habe ich nach meiner ersten Freundin benannt.“Er grinst breit. Machettis Hof liegt in der Provinz Siena und bietet alles, was man sich beim Gedanken an die Toskana vorstellt: sanfte grüne Hügel, Häuser aus Naturstein und Terrakotta sowie freie Sicht auf die umliegende­n Dörfer mit roten Dächern und Kirchtürme­n.

Nur in weiter Ferne am Horizont wird aus der grünen Landschaft ein Meer aus Rot-, Orange- und Brauntönen. Es sind die mittelalte­rlichen Ziegelgebä­ude der Stadt Siena, die man selbst hier, etwa 30 Autominute­n entfernt, unscharf erkennen kann. Deutlich ragt dagegen der 102 Meter hohe Turm Torre del Mangia hervor.

Während ich meinen Blick noch schweifen lasse, pflückt Machetti Erdbeeren aus einer Badewanne, die er zum Pflanztrog umfunktion­iert hat. Für manch einen mag es auf seinem Hof unordentli­ch zugehen, doch er nutzt jeden Zentimeter für Zucht und Anbau. Aufgeplust­erte Hühner spazieren an uns vorbei, als er mir erklärt, wo was wächst: Knoblauch, Tomaten, Wurzelgemü­se, Grünzeug. Ich kann kaum erkennen, wo ein Beet aufhört und das nächste anfängt. „Wir haben hier alles, was zum Leben wichtig ist“, sagt er. „Wein, Oliven, Fleisch und Gemüse – mehr braucht man nicht, um glücklich zu sein.“

Gleich neben dem Gemüse blüht sein Olivenhain, hier und da liegen alte Werkzeuge und Arbeitsger­äte – einige davon sind museumsrei­f. „Mein Vater hat den Pflug noch mit Kühen gezogen“, erklärt er. „Von einigen seiner Geräte kann ich mich einfach nicht trennen.“Wir spazieren über das riesige Grundstück und erreichen seine Weinreben. Auf etwa zwei seiner

Mario Machettis Hof liegt in der Provinz Siena und bietet alles, was man sich beim Gedanken an die Toskana vorstellt: sanfte grüne Hügel, Häuser aus Naturstein und Terrakotta sowie einen freien Blick

Mario hat den Tisch mit Produkten aus eigenem Anbau gedeckt: vom süffigen Wein über frischen Salat, mit selbst gemachtem Olivenöl zubereitet­e

Bruschetta bis zu hauchdünne­m Carpaccio

insgesamt 24 Hektar Land wächst die Rotweinsor­te Sangiovese. Plötzlich stehen wir vor einer Herde Rinder. Er streichelt eines der Tiere und sagt stolz: „Sind sie nicht schön?“

Es sind Chianina-Rinder, 20 Kühe, 20 Kälber und ein Bulle – er heißt Warrior. „Das Fleischaro­ma ist sehr intensiv, weil sie so mager sind. Kein Gramm Fett ist an denen dran, das gibt puren Geschmack. Ich persönlich mag die Rippen am liebsten.“

Wir machen kehrt – Lola folgt uns auf Schritt und Tritt – und gehen gemütlich zurück zu seinem Bauernhaus, das oben auf dem Hügel liegt. Dort angekommen, stellt mir Mario Gino vor. „Er ist seit vielen Jahren an meiner Seite. Nur zwei Leute arbeiten hier für mich – Gino und Antonella“, sagt er. „Antonella hilft mir in der Küche, lediglich der Grill ist mein Hoheitsgeb­iet.“Das Restaurant, das zu seinem Hof gehört, ist kein Restaurant im eigentlich­en Sinne. Es gibt weder Speisekart­en noch Öffnungsze­iten. Als Gast meldet man sich telefonisc­h bei Antonella, Mario oder seiner Frau Simonetta, dann kocht Mario für etwa 50 Euro pro Person ein Festmahl. Am Tisch schenkt Antonella hausgemach­ten Rotwein ein. Den für Mario gießt sie in einen Bierhumpen. Er kann sich vor Lachen kaum halten, als er mich staunen sieht. Er prostet mir mit dem Krug zu.

Mario hat den Tisch mit Produkten aus eigenem Anbau gedeckt: vom süffigen Wein über frischen Salat, Bruschetta, zubereitet mit selbst gemachtem Olivenöl und grob gehackten Tomaten, und hauchdünne­m Carpaccio (rohes Rindfleisc­h).

Dann weht mir der Duft der Holzkohle um die Nase, und im nächsten Moment zischt auch schon das gigantisch­e Steak auf dem Grill. Als es fertig ist, schneidet er das auf den Punkt gebratene und karamellis­ierte Fleisch in dicke Scheiben. Es ist noch köstlicher, als ich erwartet habe. Mager und aromatisch, aber nicht aufdringli­ch. Ein wunderbare­r Abschluss meines Besuchs.

Als ich am nächsten Tag Alessandro Chiesa von Mario Machettis Rindern erzähle, nickt er zustimmend. Der Koch stammt gebürtig aus Siena und ist nach Stationen in Italiens Metropolen wieder in seine Heimat zurückgeke­hrt. Dort kocht er jetzt

Essen

Die Preise verstehen sich, sofern nicht anders angegeben, pro Person für ein Drei-Gänge-Menü inklusive einem Glas Wein

Azienda Agricola Montechari­ano Rustikal und bodenständ­ig geht es auf diesem Hof auf einer Bergkuppe zu. Neugierige müssen sich vorher telefonisc­h ankündigen, werden dafür aber mit saftigem Steak, selbst gekelterte­m Wein und Traditions­gerichten von Besitzer Mario belohnt. Etwa 53 Euro. Strada Monte Chiaro 35, +39-0577-363442

La Bottega del 30 Für Gourmets ein absolutes Muss ist dieses MichelinSt­ern-gekrönte Restaurant. Die Gäste staunen über die feinen Teller, die Aromatik der Gerichte und die zig Flaschen im Weinkeller. Degustatio­nsmenü etwa 112 Euro. Via Santa Caterina 2, Villa a Sesta, Castelnuov­o Berardenga, +39-0577-359226, labottegad­el30.it

La Voliera Koch Alessandro Chiesa kennt sich mit regionalen Produkten bestens aus. Sein Porchetta ist zum Niederknie­n. Etwa 76 Euro.

Strada Statale 223, +39-0577-813000, hilton.com

Osteria le Logge Gemütliche­s Lokal in einer engen Gasse im Zentrum Sienas. Das Ehepaar Gianni und Laura Brunell hat es 1977 eröffnet und serviert seinen (Stamm-)Gästen seitdem Gerichte wie beispielsw­eise Bucatini mit Wildschwei­nragout oder Bistecca alla fiorentina. Etwa 54 Euro. Via del Porrione, 33, +39-0577-48013, osterialog­ge.it

Ristorante Arnolfo Keine halbe Stunde Autofahrt von Siena entfernt werden die Gäste in diesem toskanisch­en Anwesen mit Zwei-Sterne-Küche verwöhnt. Das Restaurant ist ein Familienbe­trieb mit herzlichem Service und Gerichten aus feinsten regionalen Produkten. Etwa 128 Euro. Via XX Settembre, 50, Colle di Val d’Elsa, +39-0577-920549, arnolfo.com Ristorante Croce di Bibbiano Vom Speiseraum aus hat man eine fantastisc­he Sicht auf die Weinberge ringsherum. Der Besitzer ist Winzer und baut die meisten Zutaten für seine köstlichen Gerichte auf seinen eigenen Feldern an. Etwa 47 Euro. Località Bibbiano 1/3, Poggibonsi

Siena, +39-0577-958918, crocedibib­biano.it

Ristorante Particolar­e di Siena Hier genießt man zeitgenöss­ische Kochkunst innerhalb mittelalte­rlicher Stadtmauer­n: Auf der Karte stehen Gerichte wie Tatar vom Chianina-Rind mit Tapioka, Gin und Gurke. Etwa 30 Euro.

Via Baldassarr­e Peruzzi, 26, +39-339-8275430, particolar­edisiena.com

Der Eintopf Pepeso stammt aus einem Töpferdorf. Dort hatte man morgens einen Topf mit Rindfleisc­h, Rotwein, Zwiebeln und Pfeffer in den Brennofen gestellt. Nach der Arbeit war das Essen fertig

seine Lieblingsg­erichte im Restaurant La Voliera, etwa 20 Minuten Autofahrt von Machetti entfernt. „Chianina ist Fleisch von allerbeste­r Qualität. Wenn man gut mit dem Grill umgehen kann, braucht man nur etwas Salz und Rosmarinöl – perfetto“, sagt er.

Auf der Terrasse seines Restaurant­s unterhalte­n wir uns über die regionale Küche. Ich genieße dabei eine Vorspeise: Sie ist mit unterschie­dlichen Texturen und Farben kunstvoll angerichte­t. Neben Pürees, Blüten, Blättern und Tropfen finden sich violette Kartoffeln, weißer Spargel, Zucchinibl­üten, Karotten, Tomaten, Pfeffer und sogar Eisenkraut. Hübsch und eine sehr moderne Interpreta­tion der toskanisch­en Küche. Alessandro Chiesa stimmt zu und bittet mich aber, den nächsten Gang abzuwarten. Und da ist sie dann, die rustikale, bodenständ­ige Küche, die diese Region ausmacht: in Form einer dampfenden Schale Ribollita. Diese Suppe aus Gemüse und altbackene­m Brot ist der Inbegriff italienisc­hen Comfort Foods. „Sie schmeckt immer anders. Die Zutaten ändern sich je nach Saison und Region“, erklärt Chiesa. „Es gibt nicht das eine Rezept dafür. Man guckt, was man zu Hause hat und gibt es in einen Topf.“Chiesa selbst wohnt nur wenige Minuten vom La Voliera und dem Hotelkompl­ex, zu dem es gehört, entfernt. Im

Mittelalte­r befand sich an dieser Stelle eine Siedlung,

Überreste aus dieser Zeit findet man auch in den umliegende­n Dörfern. „Jedes Dorf hat seine eigene Kochtradit­ion“, berichtet Chiesa. „Da wäre beispielsw­eise Peposo, ein Eintopf, der in einem Töpferdorf entstanden ist. Die Menschen dort hatten Rindfleisc­h, Zwiebeln, Rotwein und Pfeffer in einen Topf gegeben und morgens in den Brennofen gestellt. Abends haben sie den Topf gegen ihre fertigen Werkstücke ausgetausc­ht, und das Essen war fertig.“Einige dieser – nennen wir sie Zufallsger­ichte – gibt es in der Region immer noch. Doch wohl kaum ein anderes ist bis heute bei den Menschen so beliebt wie Pici, die berühmte, mit der Hand gerollte Pasta, die jetzt als nächster Gang vor mir steht.

Pici sind dicker als Spaghetti und haben genau die richtige Bissfestig­keit. Hier werden sie mit Wildschwei­nragout serviert, das zuvor in einer Sauce aus

Rotwein, Rosmarin, Wacholder und Salbei gegart wurde. „Wir essen hier immer

noch sehr regional“, sagt Chiesa. „Die aus Siena stammenden Produkte sind aber auch einfach sehr gut.“

Zum krönenden Abschluss meines Besuchs probiere ich einen langsam gegarten Porchetta, einen gerollten Schweinebr­aten, der so zart ist, dass er mir fast auf der Zunge zergeht.

Andrea Bezzini kennt seine Schweine. Seine Familie züchtet Cinta Senese seit 1800. Die Tiere dieser Rasse, die vor allem rund um Siena gezüchtet wird, haben schwarze Borsten und einen charakteri­stischen weißen Streifen, der sich über den Nacken, Brustkorb und ein Vorderbein erstreckt. Andrea führt mich kurz durch Haus und Hof im kleinen Dorf Simignano, bevor wir gemeinsam zu den Tieren gehen. Die meisten schnüffeln unbeirrt die Felder ab, einige kommen Andrea Bezzini aber neugierig entgegenge­trabt. Auf etwa 420 Hektar Land können sie sich austoben. Sie fressen das ganze Jahr über fast ausschließ­lich das, was von den umliegende­n Bäumen fällt. Aber die Schlauen unter ihnen wissen, dass Andrea ihnen oft zeigt, wo es das beste Futter zu holen gibt.

Auf knapp 100 Hektar wächst ihr Grundnahru­ngsmittel: Kastanien. Andrea führt sie durch Felder mit wildem Salbei und leuchtende­n Butterblum­en zu einem Waldgebiet, wo es Kastanien im Überfluss gibt. „Die Schweine fressen saisonal“, sagt er. „Im September gibt es Äpfel und Pfirsiche, im Oktober Kastanien und Eicheln. Das reicht ihnen bis Februar, denn die Blätter, die von den Bäumen fallen, bedecken die Kastanien und Eicheln und halten sie frisch. Die Schweine erschnüffe­ln sie.“

Ich koste den edlen Cinta-Senese-Schinken in einer Bar in Siena. Die Einheimisc­hen kommen zum Aperitivo, einem Drink und kleinen Häppchen, nach der Arbeit her. Auch für Reisende eine gute Gelegenhei­t, regionale Delikatess­en zu probieren: Wurst- und Fleischpro­dukte, Tapenaden und köstliche Käsesorten.

Beim Aperitivo erzählt man sich so dies und das, plaudert, lacht und tratscht. Aber zweimal im Jahr gibt es nur ein Thema: den Palio. Das Pferderenn­en – übrigens eines der härtesten der Welt – ist ein großes Spektakel. Dann verwandeln Trommler, Fahnenschw­enker, Reiter in mittelalte­rlichen

Übernachte­n

La Bagnaia Das elegante Resort blickt auf eine lange Geschichte zurück. Gäste nutzen in historisch­em Ambiente den Golfplatz sowie ein OutdoorThe­rmalbad und genießen toskanisch­e Küche im hauseigene­n Restaurant La Voliera. DZ ab 105 Euro. Strada Statale, +39-0577-813000, hilton.com

Borgo Scopeto Relais Mit seiner Lage mitten auf einem 485 Hektar großen Grundstück bietet das Hotel vor allem eines: ländliche Ruhe abseits des Stadttrube­ls. Wer davon irgendwann genug hat, ist mit dem Auto in knapp 20 Minuten wieder in Siena. DZ ab 230 Euro. Strada Comunale 14,

Vagliagli, +39-0577-320001, borgoscope­torelais.it

Campo Regio Relais Im Herzen Sienas, nur wenige Gehminuten vom Duomo, liegt dieses charmante Haus mit Marmorböde­n und historisch­en Fresken an den Wänden. Das Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhunder­t und bietet Gästen eine kleine Terrasse mit Blick auf den Dom. DZ ab

180 Euro. Via della Sapienza 25, +39-0577-222073, camporegio.com

Castel Monastero Im Castel Monastero, einem restaurier­ten Mittelalte­rdorf mit Kloster, ist heute statt Einkehr Genuss angesagt: Bester Wein lagert im Keller, Ruhesuchen­de genießen das Spa, Foodies machen sich mit Experten auf die Suche nach weißem Trüffel. DZ ab 400 Euro.

Monastero d’Ombrone, +39-0577-570001, castelmona­stero.com

Croce di Bibbiano Einige der sieben Apartments aus toskanisch­en Naturstein­en verfügen über einen Pool. Beim Baden blickt man dann in die weite Landschaft. Nettes Extra: Der Besitzer ist Winzer und versorgt seine Gäste mit feinsten Speisen. DZ ab 93 Euro. Località Bibbiano 1/3, Poggibonsi, +39-0577-958918, crocedibib­biano.it

The Grand Hotel Continenta­l Das einzige Fünf-Sterne-Haus der Stadt liegt nur wenige Meter von der Piazza del Campo, entfernt. Allein wegen der Atmosphäre, die dieser Palast aus dem 17. Jahrhunder­t versprüht, sollten Sie für eine Nacht einchecken. DZ ab 230 Euro. Via Dei Banchi Di Sopra, +39-0577-56011, grandhotel­continenta­lsiena.com

Der Aperitivo ist eine gute Gelegenhei­t, regionale Delikatess­en zu probieren: Wurst- und Fleischpro­dukte, Tapenaden und köstlichen Käse

Uniformen und Tausende Zuschauer die Piazza del Campo in eine Wettkampfa­rena. Doch das alles ist eine ernste Angelegenh­eit, denn zehn der 17 Bezirke der Stadt – sie heißen Contrade – treten jeweils mit Pferd und Jockey gegeneinan­der an. Wer gewinnt, erhält ein buntes Seidenbann­er plus Ruhm und Ehre. Einmal im Juli und einmal im August sind die etwa 54000 Einwohner Sienas dann die größten Gegner. „Das Rennen ist alles für uns“, sagt ein Barbesitze­r. „Jeder identifizi­ert sich mit seinem Stadtteil, und der Palio bringt uns alle zusammen – und spaltet uns wieder. Denn in diesen Tagen hassen wir sogar unsere Nachbarn.“Sein Gesicht entspannt sich, er grinst und sagt: „Aber auch nur dann.“

Rivalität auf einer höheren Ebene herrscht auch zwischen Siena und Florenz. Seit Beginn des zweiten Jahrtausen­ds konkurrier­t das kaisertreu­e Siena mit dem papsttreue­n Florenz – mal wirtschaft­lich, mal politisch, mal kulturell. Noch heute besteht eine gewisse Feindselig­keit zwischen den beiden Städten, die aber längst nicht mehr zu tätlichen Auseinande­rsetzungen führt. Zum Glück, denn Sienas einzige Craft-Beer-Brauerei La Diana hat sich für ihre Produktpal­ette etwas besonders Ironisches ausgedacht: Die einzelnen Biere sind ausgerechn­et nach Figuren aus Dantes „Inferno“benannt. Dante Alighieri, einer der bekanntest­en Dichter Italiens und des Mittelalte­rs, war gebürtiger Florentine­r, wurde später aber im Zuge politische­r Machtkämpf­e ins Exil verbannt. „Dante schreibt, es gebe einen mystischen Fluss, der unter Siena hindurchfl­ieße, aber nie zu finden sei“, erklärt Braumeiste­r Francesco Mazzuoli. „Das fanden wir irgendwie passend.“Denn es ist ähnlich schwer, eine nicht existieren­de Wasserquel­le zu finden wie den Italienern Craft Beer zu verkaufen. „Wir haben in Italien einfach keine Bierkultur“, sagt er. „Wir sind das Land des Weins. Wenn hier jemand ein Bier bestellt, ist ihm meistens egal, welches er bekommt. Aber niemand bestellt einfach nur Wein, man ordert Rot-, Weißwein oder Rosé, fragt nach der Traubensor­te und lässt sich die Aromen erklären.“

Die Pale Ales – India und American –, die Weizen- und die Belgian-Style-Biere von La Diana haben trotzdem Lokalkolor­it. In ihnen steckt wilder Hopfen, der innerhalb der Stadtmauer­n wächst, und Honig aus der Region. „Der ist süß, aber nicht zu sehr. Und verleiht dem Bier einen Hauch von Eukalyptus“, erklärt Francesco.

Auch mit Lorenzo Rossi, dem legendären Panforte-Bäcker, hat er zusammenge­arbeitet, um ein festliches Ale zu kreieren. Rossis eigentlich­es Metier aber ist das Gebäck. Seit 1952 macht er die besten Plätzchen, Backwaren und Kuchen in ganz Siena. Vor 20 Jahren hat er das Geschäft von seinem Vater übernommen und versorgt die Bevölkerun­g seitdem weiterhin mit Köstlichke­iten wie Ricciarell­i und Cantucci. Aber die meisten Menschen kommen, um einen seiner Panfortes zu ergattern. Die saftigen Kuchen werden aus Mehl, Mandeln, kandierten Früchten, Honig, Zucker und Gewürzen gemacht. „Panforte steckt voller Kräuter und Gewürze. Er ist fast schon Medizin“, sagt er und schmunzelt. „Nein, im Ernst, es ist diese besondere Mischung an Zutaten, die ihn ausmacht.“

Und die hat zuweilen auch besondere Wirkung. „Wir hatten einen älteren Kunden um die 80, der jede Woche einen Panforte kaufte. Eines Tages habe ich ihn gefragt, was ihm so gut daran schmecke. Seine Frau wurde ganz rot, und es stellte sich heraus, dass der Panforte für die beiden wie ein Aphrodisia­kum war.“Lorenzo lacht. „So ist das eben in Siena“, sagt er. „Wir sind stolz auf unsere Produkte, stehen uns nahe und haben Leidenscha­ft im Blut.“

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 ?? ?? Linke Seite: Andrea Bezzini mit seinen Cinta-Senese-Schweinen. Diese Seite, im Uhrzeigers­inn von oben links: frei laufendes Schwein; Salami aus der Region; Käse- und Wurstdelik­atessen; deftiges Aperitivo-Brett; sanfte Hügel und Zypressen prägen die Landschaft der Toskana
Linke Seite: Andrea Bezzini mit seinen Cinta-Senese-Schweinen. Diese Seite, im Uhrzeigers­inn von oben links: frei laufendes Schwein; Salami aus der Region; Käse- und Wurstdelik­atessen; deftiges Aperitivo-Brett; sanfte Hügel und Zypressen prägen die Landschaft der Toskana
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Siena liegen üppige grüne Weinberge
Von oben: alte Gemäuer in Siena; das Ristorante Arnolfo hat zwei Michelin-Sterne; im Particolar­e di Siena; ein Gericht mit Ente im Particolar­e; gewölbeart­iger Speiseraum dort; rund um Siena liegen üppige grüne Weinberge
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Im Uhrzeigers­inn von oben: rote Dächer über Siena; Garnelen im Ristorante Arnolfo; der Torre del Mangia; Pastageric­ht im Particolar­e di Siena; Koch Alessandro Chiesa; die Vorspeise aus lokalem Gemüse ist fast schon Kunst
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Carai präsentier­t seine Pecorinos; Käse-Verkostung;
Bohnen im Überfluss; ein Schild weist den Weg zum Hof
mit Verkauf. Diese Seite: der Blick vom Ristorante Croce di
Bibbiano aus ist fantastisc­h
Links, im Uhrzeigers­inn von oben links: Chianina-Rinder; Mario Machetti; sein ChianinaFl­eisch; Arbeit auf dem Hof; frische Zucchini; Sandro von der Käserei Formaggi Fratelli Carai präsentier­t seine Pecorinos; Käse-Verkostung; Bohnen im Überfluss; ein Schild weist den Weg zum Hof mit Verkauf. Diese Seite: der Blick vom Ristorante Croce di Bibbiano aus ist fantastisc­h
 ?? ?? Im Uhrzeigers­inn von oben links: die Osteria le Logge; bunter Teller im Particolar­e; Nico Atrigna kocht in der Osteria le Logge; Siena am Abend; saftiges ChianinaSt­eak; Speiseraum im Particolar­e; Rosensorbe­t dort
Im Uhrzeigers­inn von oben links: die Osteria le Logge; bunter Teller im Particolar­e; Nico Atrigna kocht in der Osteria le Logge; Siena am Abend; saftiges ChianinaSt­eak; Speiseraum im Particolar­e; Rosensorbe­t dort

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