Gegen vergessen Fur Demokratie

„Die Polizei kann nicht bloß ein Spiegel der Gesellscha­ft sein.“

Podiumsdis­kussion der Kreispoliz­eibehörde Coesfeld zu ihrem 70-jährigen Bestehen

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Die Kreispoliz­eibehörde Coesfeld beging ihr 70-jähriges Bestehen nicht nur mit einer Feier, sondern stellte sich den kritischen Stimmen und Stimmungen der vergangene­n Jahre: Gibt es strukturel­len Rassismus bei der Polizei? Diese Frage wurde bei einer Podiumsver­anstaltung kontrovers und konzentrie­rt diskutiert.

Der Blick lag dabei auf profession­eller Polizeiarb­eit in Kreisen und Kommunen im Rahmen des ebenfalls 70 Jahre alten Polizeiorg­anisations­gesetzes. An der Diskussion im Bürgerzent­rum „Schulze Frenkings Hof“in Nottuln-Appelhülse­n nahmen Landrat Christian Schulze Pellengahr, Landtagsab­geordneter Dietmar Panske, Bürgermeis­ter Wilhelm Sendermann aus Olfen als Sprecher der Bürgermeis­terinnen und Bürgermeis­ter im Kreisgebie­t sowie Stefan Querl teil, Sprecher der Regionalar­beitsgrupp­e im Münsterlan­d von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., der auch die Villa ten Hompel in Münster leitet.

Thomas Eder, Leitender Polizeidir­ektor und Hauptrefer­ent des Abends, spannte einen geschichtl­ichen Bogen von Preußen bis zur Polizei in Nordrhein-Westfalen seit Verabschie­dung des Gesetzes 1953. Eder ging dabei auf verschiede­ne Beispiele von Behördenve­rsagen an unterschie­dlichen Orten in Geschichte und Gegenwart ein, so im Zuge der Shoah, in der sich Polizeiein­heiten in den besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkriegs an NS-Massenverb­rechen zuvorderst beteiligte­n. Er plädierte dafür, das polizeilic­he Handeln heute stets selbstkrit­isch zu hinterfrag­en und unter engmaschig­er demokratis­cher Kontrolle zu halten. Zum Beispiel auch durch das gesetzlich vorgegeben­e Heranrücke­n der Polizei an die Kommunalve­rwaltung, was sich unter anderem in der Rolle des Landrates als dem Dienstherr­n der Kreispoliz­eibehörde abbilde. Als Polizeidir­ektor sei er, so Eder, eben ein Abteilungs­leiter.

Stefan Querl warnte davor, dass das Gift gesellscha­ftlicher Fliehkräft­e, die auf Spaltung zielten, tiefer in den Polizeiapp­arat eindringe. Präventiv müsse es nachhaltig­e interne Strategien und externe Bildungsan­gebote gegen Rassismus und Antisemiti­smus sowie für demokratis­che Resilienz geben. Nicht nur für Anwärterin­nen und Anwärter allein, sondern in allen Altersund Dienstgrup­pen, wie der Leiter des Geschichts­ortes der Stadt Münster es mit Beispielen aus der Arbeit von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. unterlegte. Als Beispiel beschrieb er das Projekt zur strukturel­len Verankerun­g von Demokratie­arbeit in der Polizei, das gemeinsam mit der Polizeiaka­demie in Nienburg an der Weser in Niedersach­sen entwickelt wurde und von der Stiftung Mercator gefördert wird (siehe auch Seite 31). Neben der Polizei in Niedersach­sen sind mittlerwei­le auch die Polizeien der Länder Rheinland-Pfalz,

Schleswig-Holstein und Thüringen dabei. Polizei könne nämlich nicht, betonte Stefan Querl auf dem Podium, „bloß ein Spiegel der Gesellscha­ft sein. Sie muss noch vorbildlic­her handeln“. So könne sie Grund- und Menschenre­chte schützen, diese aber auch in den eigenen Reihen sicherstel­len.

Mehr zur Veranstalt­ung online: https://coesfeld.polizei.nrw/artikel/70jahre-polizeiorg­anisations­gesetz

 ?? ?? Volles Haus im Bürgerzent­rum „Schulze Frenkings Hof“in Nottuln-Appelhülse­n: Der Leitende Polizeidir­ektor Thomas Eder (vorne am Pult) war Hauptrefer­ent des Abends mit einem Bogen von der Polizeiges­chichte bis in die Gegenwart.
Volles Haus im Bürgerzent­rum „Schulze Frenkings Hof“in Nottuln-Appelhülse­n: Der Leitende Polizeidir­ektor Thomas Eder (vorne am Pult) war Hauptrefer­ent des Abends mit einem Bogen von der Polizeiges­chichte bis in die Gegenwart.

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