Neues aus Down Under
Früher hatte sie den Ruf als abgelegenste Großstadt der Welt, heute ist sie eine angesagte Metropole – Michael Harden erkundet Perth, wo die Sonne (fast) immer scheint und man direkt vom Surfbrett ins Restaurant wechselt
Perth ist kulinarisch eine der spannendsten Metropolen in Australien. Lassen Sie sich doch einfach inspirieren
Montagmorgens am Trigg Beach im Norden von Perth: Der Himmel strahlt blau, und der Indische Ozean schubst eine Welle nach der anderen ans Ufer. Tropfend nasse Teenager balancieren ihre Bretter gekonnt auf dem Kopf und schlurfen zu ihren Handtüchern, um den Neoprenanzug gegen die Schuluniform zu tauschen. Die älteren Surfer, braun gebrannt, ziehen nur ein trockenes T-Shirt über und machen sich dann auf zum Frühstücken. Ein Paar geht mit Hund am Wasser spazieren. Immer wieder halten sie für einen kurzen Plausch an oder winken jemandem zu. Entspannt ist ein Adjektiv, das man im Zusammenhang mit Perth immer wieder hört. Locker und lässig sei das Leben in der australischen Stadt am anderen Ende der Welt. Und da ist in der Tat etwas dran. Das mag daran liegen, dass Sonne und Wellen von jeher zum Leben in der Gegend gehören. Auf das gute Wetter ist Verlass, die Durchschnittstemperatur liegt fast ganzjährig bei rund 20 Grad. Es mag aber auch daran liegen, dass Perth eine der abgelegensten Städte der Welt ist. Sie liegt näher an Jakarta als an Sydney; schon allein bis Adelaide, der nächsten größeren Stadt, sind es mehr als 2000 Kilometer. Man ist hier also mehr oder weniger unter sich. Und bis zur Jahrtausendwende war in der australischen Stadt auch eher wenig los. Doch seitdem hat sich Perth rasant entwickelt. Bauprojekte prägen nun das Stadtbild: Historische Häuser wurden aufwendig renoviert, Wohngebiete erschlossen und Wolkenkratzer gebaut. Das hat besonders in den vergangenen Jahren Gastronomen und junge Menschen mit Ideen angezogen. Beinahe an jeder Ecke entstehen Cafés, Restaurants und Bars. „In den letzten fünf Jahren ging ein richtiger Ruck durch die Gastronomieszene“, sagt George Kailis. Er ist Besitzer des Restaurants Island Market direkt am Trigg Beach. Seine Familie kam vor einem Jahrhundert von Griechenland nach Australien und ist seitdem in der Hotellerie und im Fischhandel tätig. „Vor allem im Norden von Perth gab es damals überall nur Burger oder Fish and Chips. Ich habe das Gefühl, dass die Leute jetzt auf eine Art anspruchsvoller sind und auch neugierig auf die Produkte aus der Region. Das ist schon ein wirklich großer Wandel.“
Mit dem Island Market trifft er den Zeitgeist. Zum Frühstück gibt es hier ein Omelett mit Blaukrabben, natürlich gleich vor Ort gefischt, mittags und abends stehen gegrillter Tintenfisch mit Chorizo und Artischocken oder geräucherte Forelle mit Lachsrogen und Taramasalata, einem Dip aus gesalzenem Rogen, auf der Karte. Alle Zutaten dafür stammen aus der Region. Einen Burger sucht man allerdings vergeblich, stattdessen gibt es frisch gebackenes Pita-Brot, gefüllt mit Lamm-Shawarma und Chili-Joghurt. Die Gerichte sind modern und kreativ. Köche und Unternehmer aus aller Welt kommen plötzlich, um sich selbst und die
erstklassigen Produkte der Region auszuprobieren und Neues zu wagen. Aber das war nicht immer so. Durch die isolierte Lage verirrten sich lange Zeit kaum Siedler hierher. Erst nachdem man im späten 19. Jahrhundert Gold fand, explodierte die Bevölkerungszahl förmlich. Vom daran anschließenden Bauboom zeugen noch heute die zahlreichen viktorianischen Gebäude in Perth und Umgebung.
Neben Gold hat die Region auch Roheisen-, Nickel-, Diamanten-, Kohle-, Öl- und Erdgasvorkommen. Die Wirtschaft boomt, man kann investieren. Und tut es auch. Eines der jüngsten Stadtprojekte ist das 2017 fertiggestellte Perth Stadium, auch Optus Stadium genannt, mit 65.000 Sitzplätzen und supermoderner Licht- und Videotechnologie. Geld fließt zudem in die vielen Parks und Gärten der Stadt, darunter der Kings Park, der mit 400 Hektar übrigens einer der größten innerstädtischen Parks der Welt ist. Sie werden akribisch gepflegt und strotzen nur so vor bunter Flora und Fauna. Die Rufe der Kakadus gehören zum Soundtrack der Stadt.
Im Geschäftszentrum von Perth hat sich ebenfalls viel getan. Einige Straßen sind jetzt Fußgängerzonen – Cathedral Square, Yagan Square, Elizabeth Quay – mit bunter Street-Art, Bars, Cafés und Restaurants, die zu den besten des Landes gehören.
Am Cathedral Square wurde der 140 Jahre alte StateBuildings-Komplex aufwendig um- und ausgebaut und ist heute einer der angesagtesten Gastronomie- und
Einzelhandelskomplexe. Hier ist auch das wohl beste Hotel der Stadt untergebracht: das Como The Treasury, mit palastähnlichen Zimmern und eindrucksvollem Blick auf die St. George’s Cathedral.
Das Innere des historischen State Buildings ist elegant, hell und luftig, mit viel Stein und hohen Decken. Die kleinen Geschäfte konzentrieren sich in ihrem Angebot auf Produkte aus Western Australia. Da ist zum Beispiel ein Blumenladen namens Fox and Rabbit, der nur heimische Pflanzen verkauft, darunter die maiskolbenartigen Banksien und die Känguru-Blume, die man auch im Wappen des Staates findet. Und dann wäre da noch Sue Lewis Chocolatier, ein Süßwarengeschäft, in dem man handgeschöpfte Schokolade mit lokalen Zutaten wie Zitronenmyrte, Macadamianüssen und Sandelholznüssen naschen und auch kaufen kann.
Im Petition Kitchen, einem eleganten Restaurant mit IndustrieChic, tischt Koch Jesse Blake Gerichte wie Geraldton Snapper mit Limone und Sardellen auf. Zum Petition gehört auch der Beer Corner, eine stylishe Kneipe im selben Stil. Ordern kann man verschiedene Craft-Bier-Sorten vom Fass und Wein. Der kommt, entsprechend dem Konzept des Hauses, natürlich vor allem aus den Weingebieten der Umgebung, also Perth Hills und Swan Valley.
Weniger als eine halbe Stunde dauert die Fahrt mit dem Auto von Perth nach Swan Valley. Es ist das älteste Weinanbaugebiet Western Australias und außerdem so etwas wie der große Garten der Hauptstadt. Wein war hier früher eigentlich nur Nebensache, hauptsächlich Obst wie Tafeltrauben, Steinfrüchte, Zitronen und Melonen wuchsen auf den Feldern, mitgebracht und angebaut von Immigranten aus Griechenland, Italien und dem ehemaligen Jugoslawien. Doch in den letzten Jahrzehnten hat
sich das Tal mehr und mehr zur Weinregion entwickelt. Der fruchtbare Boden und das warme, fast mediterrane Klima sind ideal für Sorten wie Verdelho, Shiraz und Cabernet. Aber auch neue Sorten wie Grenache und Vermentino fühlen sich hier sehr wohl.
Anthony Yurisich ist Winzer bei Olive Farm Wines, einem Gut, das sein Großvater in den 1930er-Jahren gekauft hat. Olive Farms moderner Tasting- und Verkaufsraum und das dazugehörige KäseFeinkostgeschäft Cheese Barrel sind ein gutes Beispiel für den Generationswechsel, der sich in der Region aktuell vollzieht. „Früher kamen die Leute aus Perth am Wochenende hierher, um Obst zu kaufen und sich Wein in selbst mitgebrachte Flaschen abzufüllen“, erzählt Yurisich. „Heute verkaufen wir sehr hochwertigen und fachmännisch produzierten Wein in alle Welt. Auch in der Umgebung gibt es neue Destillerien und Brauereien, die gutes Essen und sogar Übernachtungsmöglichkeiten in den Weinbergen anbieten. Es ist eine aufregende Zeit für das ganze Swan Valley.“
Nicht weniger aufregend ist es in den Perth Hills. Etwa 45 Autominuten östlich von Perth herrscht ein ganz anderes Klima als im Swan Valley. Es ist kühler, und je nach